Der letzte Brief
Briefe berühmter Menschen
Der letzte Brief: der königliche aller Briefe. Sein Aroma
ist köstlich.
Was sonst in armseliger Verteilung aus Briefen blüht:
Genialität des Denkens, Glaubens Liebens– im letzten Brief wird er zu
einer Synthese.
Sein Pathos ist unerhört- aber sein Ethos wächst darüber hinaus.
Beide –Pathos und Ethos – werden aufgenommen in die hohe Stimme einer
nie zu
entwirrenden Mystik.
Es ist das Schicksal der letzten Takte der neunten Symphonie, die
eingehen in die
Seligkeit eines metaphysischen Soprans. ....
Ilse Linden/ Der letzte Brief Eine
Sammlung letzter Briefe
Herausgegeben von Ilse Linden /Erschienen bei Oesterheld & Co Verlag
Berlin 1919
Auch
einer, der nicht heimkehrte
Briefe an die Frau
Vorwort
Das Schicksal, das aus diesen Feldpostbriefen
spricht, ist, obgleich vielleicht nicht einzigartig in dem weiten
Rahmen ungeheuren Geschehens, den der Weltkrieg spannte, so doch
einzigartig, in seiner Tragik. Denn diese Briefe eines jungen Menschen
an die Frau, die er liebt, geben Kunde von einer Liebe, die, schon an
sich gezwungen, gegen äußere Widerstände zu kämpfen, durch die
Trennung, die der Krieg bringt, unter besonders tragische Spannungen
gerät.
Sie spiegeln die tapfere Art wieder, in der der junge Offizier neben
allem Schweren des Kriegserlebens auch das private Schicksal meistert
und der um ihn bangenden Frau immer wieder einen schützenden Halt
bietet, bis im letzten Jahre des Feldzugs ein kurzes Eheglück für
wenige Urlaubswochen vereinigt.
Mögen diese Zeugnisse tapferen, verantwortungsvollen auf dem Posten
Stehens von einem, der über den Friedensschluß hinaus in Feindesland
aushielt und doch nicht zurückkehren durfte und sein Kind nie gesehen
hat, zugleich allen denen ein Denkmal setzen, die gleich ihm
ausgeharrt haben und ihre Pflicht getan haben bis zuletzt.
Gedicht
Und über uns wiegt einer Birke grün
Sich lenzverträumt im Frühlingsabendwinde,
leuchtend umspinnt das Licht die seidene Rinde,
Und durch der Zweige zierliche Gewinde
Seh’n goldene Wolken wir vorüberzieh’n,
Und haben uns so lieb. Auf deinen Knie’n
Ruhet mein Haupt. Und deine Hand fährt linde
Und zärtlich mir durch’s Haar. O sag’, wo finde
Ich wohl ein Glück dem gleich, und lächelnd binde
Ich Reim am Reim zum Frühlingsangebinde
Für Dich, und wehr’ dem Augenblick zu flieh’n.
Brief I
14.08. 14.
Du Liebste! Diesen Brief soll man Dir schicken, wenn ich tot bin. Mit
ihm meine beiden Ringe. –
Was soll ich in ihm schreiben? Wollte ich all’ das zu Papier bringen,
was das Herz, mir voll und glücklich, schwer und leicht freudig und
traurig macht, ich werde nicht fertig werden, hätte ich auch all’ die
Zeit, die wir uns nun kennen und lieb haben noch einmal.
Du weißt ja Alles und hast es viele Mal und doch noch nicht oft genug
in meinen Briefen und wirst es da immer und immer wieder nachlesen. -
Darum nur das Eine, meine letzte heiligste Bitte, Du mögest Dir kein
Leid antun im Schmerze um mich; denn dann würdest Du unsere Liebe
Köstlichstes genommen haben. Wie ich das genauer bezeichnen soll, weiß
ich nicht, wie man Manches nicht sagen kann, das im Gefühl fest steht.
So leb’ denn wohl. Ich glaube, ich werde immer bei Dir sein…..
Im Nachlass gefunden
Brief II
9.12.18.
Liebe, liebe Liebste! Liebste Frau! Du, Du! Da hast Du mir einen
jungen geschenkt, wie soll ich Dir danken! Nun hast Du zwei, einen
großen, der ja manchmal nicht bei Dir sein kann und eigene Wege gehen
muß, und einen kleinen, der für lange, lange Zeit ganz Dir gehört,
ganz Dir. Wie freue ich mich für Dich! Und einen Buben hattest Du Dir
doch gewünscht. Auch das ist in Erfüllung gegangen. Nun muß ich noch
kommen. Wenn Du dieses liest, wird es nicht mehr lange dauern.
Wir sind im Abrüsten und erwarten den Befehl zur Abfahrt. Die
Demobilisierung wird dann noch einige zeit beanspruchen, und es ist
schmerzlich, dass wir da noch getrennt sein werden. Aber wir müssen
uns damit trösten, dass es bis zum gewissen Wiedersehen und
Wiederhaben nur noch eine kurze Spanne ist.
Und dann unser Leben. Unser Leben!
Unter wie anderen äußeren Umständen hofften hofften wir es zu
beginnen; und doch, sie werden, können nichts daran ändern. Das zu
wissen, ist ein unsäglich beglückendes Gefühl. Wie anders mag es
manchem ums Herz sein, wo Beziehungen nicht das ungreifbar,
unzerstörbar Innerste verbinden, wie sie es bei uns tun. Es kann
kommen wie es will, Du bist mein, ich bin Dein und darin beruht all
unser Glück. Meine Frau, meine liebste Frau Du! - Mit Weihnachten wird
nun nichts. Ein Geschenk von mir ist „das Bild“, das man geschickt
haben wird.
Du wirst Dich über die Landschaft freuen, wie ich es getan habe. So
habe ich die Ukraine kennen gelernt, so verlasse ich sie wieder. Was
ich in ihr erlebt, ist mir nicht verloren, es ist die Zeit in der ich
Bettr.- Früher gewesen in der ich inmitten meiner Leute eine Stellung
eingenommen habe, auf die ich stolz bin, da sie auch jetzt noch in der
Brandung allgemeiner Zügellosigkeit standgehalten hat. Sie würde es
nicht immer. Niemand kann dem sich umwälzendem Rade Einhalt tun, und
ich bin der letzte, der seine Hand zu dem Versuche erheben würde, aber
man kann dafür sorgen, daß es ohne Stocken und Stürzen dahinbegleitet,
und das ist erreicht.
Ein Denkmal will ich dieser Kriegszeit noch setzten und Du darfst es
mir nicht wehren: Paten bei meinen Jungen sind mein Leutnants, weiter
möchte ich niemanden, und Du wirst mich verstehen. Ein
Kameradschaftliches Bund soll fest geschlungen werden, und er soll die
Erinnerung einer großen Zeit an sich tragen, die in seinem Leben sich
erneuern möge. Sie wird nicht im Geiste der Macht, aber im Geiste der
Freiheit. Ich bin schon nicht mehr jung, zum ersten Male fühle ich das
in meinem Leben, habe das gefühlt, ehe die Nachricht seiner Geburt
mich heute durch Funkspruch erreichte: das große Glück für mich würde
nur sein können, wenn deutsche Soldaten auf französche Straßen
vorwärts marschierten und deutsche Geschütze französischen Staub auf
ihren Siegeswegen umwölkte. Wenn das sein wird, werde ich weinen vor
Glück. Doch das sind Träume, die schwer sind von alter vergangener
Herrlichkeit und darum sage ich, dass ich mich zum ersten Male in
meinem Leben alt fühle.
Ich darf es ja nun, ich bin Vater und kann eine neue Jugend begrüßen,
der die Zukunft gehört. Sie ist zu Gast zu mir gekommen; als einen
solchen sehe ich meinen Jungen an, wie einen lieben Gast nehme ich ihn
auf, weiter gehört er mir nicht, er gehört sich selbst.
Ihn lieben und ihm helfen, das ist alles. Diesen Brief soll er einmal
bekommen. Hebe ihn für ihn auf, für Deinen Buben. Unsern Buben.
Liebste, Liebste er ist unser, wie unsere Liebe. Bei Dir sein können,
bei
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Auch einer, der
nicht heimkehrte Briefe an die Frau Verlag E. S. Mittler & Sohn 1934
Auf
Wunsch der Herausgeberin erscheint das Buch ohne Namensnennung
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