Der letzte Brief: der königliche aller Briefe. Sein Aroma
ist köstlich.
Was sonst in armseliger Verteilung aus Briefen blüht:
Genialität des Denkens, Glaubens Liebens– im letzten Brief wird er zu
einer Synthese.
Sein Pathos ist unerhört- aber sein Ethos wächst darüber hinaus.
Beide –Pathos und Ethos – werden aufgenommen in die hohe Stimme einer
nie zu
entwirrenden Mystik.
Es ist das Schicksal der letzten Takte der neunten Symphonie, die
eingehen in die
Seligkeit eines metaphysischen Soprans. ....
Büchner Georg
1813 - 1837
Büchner studierte Medizin an der Straßburger Universität. Er mietete
dort ein Zimmer bei einem Pfarrer. Dort lerne er die Tochter des
Pfarrers kennen und heimlich verlobte er sich mit ihr. 1834 wurde er
wegen revolutionäre Umtreibe bereits von der Polizei gesucht. Aus dem
Medizin Studenten wurde er zu einem Schriftsteller geworden. Plötzlich
erkrankte er, zuerst hielt man es für eine Erkältung, doch ahnte man
langsam dass es sich um Faulfieber handelte. Seine Verlobte kam sofort
aus Straßburg und in ihrer Nähe ist Büchner sanft eingeschlafen.
** Nie war Büchners Vitalität mehr gesteigert als in den kurzen Züricher
Tagen vor dem Tode. Drei Werke sind im Erscheinen: Leonce und Lena -
Aretino, Wozzek. Aus diesem Reichtum reißt ihn ein Nervenfieber. Am 10.
Februar schreibt er unter den Brief einer mütterlichen Freundin noch
diese Worte an die Braut: " Adieu mein Kind" - Er wußte immer seinen
frühen Tod. Als er nun kam, nahm er ihn als ein Sieger.
Zürich,
27. Januar 1837.
Mein lieb Kind, Du bist voll zärtlicher Besorgnis und willst krank
werden vor Angst; ich glaube gar, Du stirbst - aber ich habe keine Lust
zum Sterben und bin gesund wie je. Ich glaube, die Furcht vor der Pflege
hier hat mich gesund gemacht; in Straßburg wäre es ganz angenehm
gewesen, und ich hätte mich mit dem größten Behagen in's Bett gelegt,
vierzehn Tage lang, rue St. Guillaume Nro 66, links, eine Treppe hoch,
in einem etwas Überzwergen Zimmer, mit grüner Tapete! Hätt' ich dort
umsonst geklingelt? Es ist mir heut einigermaßen wohl, ich zehre noch
von gestern, die Sonne war groß und warm im reinsten Himmel - und dazu
hab' ich meine Laterne gelöscht und einen edlen Menschen an die Brust
gedrückt, nämlich einen kleinen Wirth, der aussieht wie ein betrunkenes
Kaninchen, und nur in seinem prächtigen Hause vor der Stadt ein großes
elegantes Zimmer vermietet hat. Edler Mensch!
Das Haus steht nicht weit vom See, vor meinen Fenstern die Wasserfläche
und von allen Seiten die Alpen, wie sonnenglänzendes Gewölk. - Du kommst
bald? mit dem Jugendmut ist's fort, ich bekomme sonst graue Haare, ich
muß mich bald wieder an Deiner inneren Glückseligkeit stärken und Deiner
göttlichen Unbefangenheit und Deinem lieben Leichtsinn und all Deinen
bösen Eigenschaften, böses Mädchen.
Adio piccola mia!