Der letzte Brief
Briefe berühmter Menschen
Der letzte Brief: der königliche aller Briefe. Sein Aroma
ist köstlich.
Was sonst in armseliger Verteilung aus Briefen blüht:
Genialität des Denkens, Glaubens Liebens– im letzten Brief wird er zu
einer Synthese.
Sein Pathos ist unerhört- aber sein Ethos wächst darüber hinaus.
Beide –Pathos und Ethos – werden aufgenommen in die hohe Stimme einer
nie zu
entwirrenden Mystik.
Es ist das Schicksal der letzten Takte der neunten Symphonie, die
eingehen in die
Seligkeit eines metaphysischen Soprans. ....
Ilse Linden/ Der letzte Brief Eine
Sammlung letzter Briefe
Herausgegeben von Ilse Linden /Erschienen bei Oesterheld & Co Verlag
Berlin 1919
Eugen Bolz Staatsmann
1881 - 1945
Selig der Mann, der in der Prüfung standhält;
denn hat er sich bewährt, wird er die Krone des Lebens empfangen
( Jakobus 1,12 )
In dem Schwaben Eugen Bolz, geboren am 15. Dezember 1881 in Rottenburg/Neckar,
war eine der Quellkräfte des Widerstandes gegen den Nationalsozialismus, der
westdeutsch-katholische Liberalismus zur Person geworden.
Sein Leben war dem öffentlichen Dienst an seiner Heimat gewidmet, Als einer der
führenden Staatsmänner Württembergs unter der Weimarer Republik stieg er zum
Minister und Senatspräsidenten und schließlich zu der Würde des
Staatspräsidenten auf.
In Sorge um das Vaterland und in Treue zu seinem Glauben schloß er sich dem
Widerstand an. Nach dem mißlungenen Attentat vom 20. Juli 1944 wurde er am 12.
August 1944 verhaftet und unter Freislers Vorsitz zum Tode verurteilt.
Am 23. Januar 1945 starb Eugen Bolz den Opfertod für die Freiheit seines Volkes
und seines Gewissens.
Frau Maria Bolz berichtet
Am Tage nach dem Urteil des Volksgerichts besuchte sie zusammen mit ihrer
Tochter den Verurteilten und brachte ihm, wie es einst in den Zeiten der ersten
christlichen Märtyrer Üblich gewesen war, konsekrierte Hostien. So hielten sie
es auch bei ihrem nächsten und letzten Besuch. Die enge Kerkerzelle wurde Gottes
Tabernakel.
„Zu unserem Staunen trat er uns sehr gefaßt entgegen", berichtete Frau Bolz am
9. Januar 1945 den Verwandten. „Sein Wesen ist ganz vergeistigt. Er ist so
innerlich geworden, daß man fühlt, er lebt ganz in Gott.
Gewiß lebt noch in ihm die Hoffnung, daß sein von ihm abgefaßtes Gnadengesuch
Berücksichtigung finden werde, aber er hat sich auch demütig in Gottes Willen
ergeben und meinte sogar, vielleicht gebe ihm Gott später nicht mehr die
Gelegenheit, so wohlvorbereitet zu sterben.
Seine Haltung gab uns Kraft, und wir sagten ihm, daß wir durch unser Beten doch
miteinander in Gott verbunden seien." Den Worten von Frau Bolz schließt sich das
Zeugnis eines ebenbürtigen Mitkämpfers an.
Andreas Hermes schreibt
„Das Bild von Eugen Bolz bewahre ich als einen der tiefsten und bewegendsten
Eindrücke aus meiner Haft. Nie hat ihn die innere Sicherheit und seine in einem
tiefen christlichen Glauben verankerte Zuversicht verlassen, und niemals hat er
auch nur im geringsten seine menschliche Würde preisgegeben. Er war uns allen
ein Vorbild entschlossener, männlicher Haltung, die gerade im tiefsten Unglück
sich bewährte und den unerschrockenen Kämpfer für Freiheit, Wahrheit und Recht
erkennen ließ."
Unmittelbar nach der Verhandlung schrieb Eugen Bolz an die Seinen
Berlin, den 21. Dezember 1944
Meine liebste Frau und Tochter!
Eine tieftraurige Botschaft habe ich Euch für Weihnachten und Neujahr.
Unerwartet war heute Verhandlung in meiner Sache. Ich wurde zum Tode verurteilt!
...
Was ich gefühlt habe, kam. Erbarmungslos. Ich habe mich innerlich, religiös in
Monaten darauf eingestellt. Ich muß von Euch und vom Leben Abschied nehmen. Euch
zu verlassen ist mir schwer. Ich bitte Euch, nehmt es hin als das mir von Gott
bestimmte Kreuz.
Ich habe wenigstens die Gnade, vorbereitet zu sterben und vielleicht einer bösen
Zeit zu entgehen. Wie ich von der Verhandlung kam, fand ich Eure lieben
Weihnachtspakete. ... Welche Güte und Fülle.
Welcher Gegensatz! Allen Dank! — Frau und Tochter! Verzeiht mir meine
Schwachheiten und Fehler.
Behaltet mich in gutem Andenken. Ich hoffe Euch an einem besseren Ort
wiederzusehen. Einstweilen herzliche Grüße und Küsse
Dein Eugen. Dein Vater
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Verzeichnis
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Literatur: Du hast
mich heimgesucht bei Nacht
Abschiedsbriefe und Aufzeichnungen des Widerstandes 1933 -1945
Herausgegeben von Helmut Golwitzer, Käthe Kuhn, Reinhold Schneider
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