Der letzte Brief
Briefe berühmter Menschen
Der letzte Brief: der königliche aller Briefe. Sein Aroma
ist köstlich.
Was sonst in armseliger Verteilung aus Briefen blüht:
Genialität des Denkens, Glaubens Liebens– im letzten Brief wird er zu
einer Synthese.
Sein Pathos ist unerhört- aber sein Ethos wächst darüber hinaus.
Beide –Pathos und Ethos – werden aufgenommen in die hohe Stimme einer
nie zu
entwirrenden Mystik.
Es ist das Schicksal der letzten Takte der neunten Symphonie, die
eingehen in die
Seligkeit eines metaphysischen Soprans. ....
Ilse Linden/ Der letzte Brief Eine
Sammlung letzter Briefe
Herausgegeben von Ilse Linden /Erschienen bei Oesterheld & Co Verlag
Berlin 1919
HEINRICH FEURSTEIN
1878 - 1942
Priester
Dr. Heinrich Feurstein,
geboren 1876, wirkte 36 Jahre hindurch als Pfarrer in Donaueschingen, ein sich
ganz seinem Beruf hingebender Priester und ein Wohltäter für die Armen seiner
Gemeinde. Als der Nationalsozialismus seine Herrschaft in Deutschland
aufrichtete, legte Feuerstein furchtlos , in Treue gegenüber seinen
priesterlichen Pflichten und seinem Gewissen, Zeugnis für die christliche
Wahrheit gegen ihre mächtigen Verderber ab.
Er wußte, daß er damit sein Leben zum Opfer darbrachte. Seine Predigten
erweckten das Mißfallen der Behörden. Nachdem er in seiner Neujahrspredigt des
Jahres 1942 kühne Worte gegen das Widerchristentum gesprochen hatte, wurde er
seiner Erwartung gemäß verhaftet. Am 31. Juli 1942 erlag sein durch Krankheit
geschwächter Körper den Grausamkeiten der Haft im KZ in Dachau. In seinem Tode
verwirklichte er die ahnungsvollen Worte seiner Predigt vom Seelensonntag 1941:
„Der Tod ist nur scheinbar ein Verlust, in Wirklichkeit ein Gewinn, weil im Tode
die hemmenden Schranken des Fleisches fallen und die Seele ungehindert
hineinflammt in jenes andere Leben am Herzen Gottes, dessen kein Ende ist. Der
Tod ist daher höchster Gewinn. So gesehen, verblassen alle Schrecken des Todes,
und das Rätsel des Sterbens ist gelöst: der Tod ist nicht mehr Grausamkeit der
Natur, sondern eine der ganz großen Erbarmungen Gottes — Hingang zum Vater."
Predigt vom Stefanstag 1941
Der heilige Stephanus!
Selten, daß uns ein Heiliger der kirchlichen Frühzeit so an die Seele greift wie
diese liebenswürdige Gestalt.
Er war Märtyrer, Blutzeuge für seinen heiligen Glauben. Der erste Märtyrer, die
erste reife Frucht am Baum der jungen Kirche. Wir müssen uns über die Größe des
Märtyrers klar sein; das Martyrium ist etwas Großes als freiwillige Tat.
Mancher Kranke leidet vielleicht mehr als ein Märtyrer litt, aber die Krankheit
kommt über ihn als Verhängnis, ohne seinen Willen, und er hat Stunden, wo er
sein Joch abschütteln möchte. Andere tragen schwer unter der Last ihres Berufes,
an Vermögensverlusten, an den Folgen des Krieges, an dem Verlust lieber
Menschen.
Das ist Schicksal, Verhängnis, höhere Fügung, der man sich nicht entziehen kann.
Aber der Märtyrer konnte anders: Er geht mit freier Entscheidung in den harten
Tod, er weiß, daß seine Predigt, seine Lehre, sein Verhalten, sein offenes
Bekenntnis zu Christus ihm das Leben kostet, und trotzdem setzt er die Tat, in
vollem Bewußtsein der Tragweite seines Handelns.
Gewiß nicht ohne Bangen, ohne den Reiz der Welt zu verspüren, ohne die
Versuchung, irgendwie sein Leben zu retten. Aber er ringt sich durch, und
während rechts und links die Feigen sich ducken und fallen, bleibt er fest wie
ein Fels. Er gehört zu den Gesiebten, die die Probe des Satans aushalten.
Märtyrer sein, heißt sich selbst in den Glutofen des Leidens stürzen, den Sturm
kommen fühlen und ihn über sich ergehen lassen, als Ruf der Pflicht, um Christi
willen und zur Ehre seiner heiligen Kirche.
Und noch ein Zweites. Das Martyrium ist uns groß, weil es ein öffentlich
schmachvolles Sterben ist, begleitet von dem wilden Triumph eines gehässigen
Pöbels. Wenn wir Schmerzen haben, können wir sie friedlich zu Hause austragen,
gehegt und gepflegt von liebenden Menschen, und wenn es zum Sterben kommt, wird
irgend ein guter Mensch uns die Augen zudrücken.
Anders der Märtyrer. Er stirbt als Gegenstand des Hasses, er verfällt der
allgemeinen Verachtung. Während selbst der Verbrecher manchmal Mitleid erntet,
ist sein Ende verflucht. Aber das alles dauert nur einen Augenblick: in der
kurzen Spanne seines heiligen Todes besitzt er die Krone des Lebens, und nach
kurzen Jahren und Jahrzehnten, wenn der Allmächtige die Verfolger mit dem Hauche
seines Mundes getötet hat, beginnt sein Nachruhm auf ewige Zeiten, indes die
Feigen, die ihre Seele verkauften, der Vergessenheit anheim fallen.
Die langen Friedensjahre haben bei uns die Meinung hochkommen lassen, als ob der
Märtyrer der Vergangenheit angehört.
Nichts ist falscher als das. Das Martyrium als Bekenntnis, als gefahrvolles
Bekenntnis, ist mit jeder gesunden Entwicklungsspanne unserer heiligen Kirche
naturnotwendig verbunden. Das muß so sein, weil das Christentum dem Geiste der
Welt entgegengesetzt ist, weil sich seine Auseinandersetzung mit der Welt
dauernd in polaren Gegensätzen, in ewigen Spannungen vollzieht.
Die Zeugenschaft, das Martyrium, das blutige und unblutige, gehört daher zu den
Baugesetzen der Kirche und ist keine Ausnahme sondern die Regel. Selig die
Zeiten, in denen dieser Gegensatz lebendig ist, wo sich die großen
Entscheidungen vollziehen, wo in mutigem Bekenntnis oder in feiger Verleumdung
sich die Geister scheiden, wo die Spreu vom Weizen sich trennt, und die Kirche
als die treue Braut Christi sich darstellt ohne Makel und Runzel. Auch unsere
Zeit ist von dieser Art. Auch wir erleben eine Wiederkehr des Märtyrertums in
blutiger und unblutiger Form.
Wir grüßen sie, alle die Märtyrer unserer Tage, auch die unblutigen Zeugen ihres
heiligen Glaubens, die wegen ihrer heiligen Überzeugung aus ihrer Stellung
verdrängten Priester und Laien, alle die Abgesetzten, die Strafversetzten, die
im Gefängnis und Konzentrationslager schmachtenden und bekenntnistreuen Laien.
Vielleicht schlägt ihnen rascher die Stunde der Befreiung als es den Anschein
hat. Auf alle Fälle werden sie in der Geschichte unserer Kirche fortleben als
Confessores Christi, als Bekenner Christi.Beten wir heute wieder um den Geist
des heiligen Stephanus, daß wir im Ernstfall als katholische Christen das tun,
was die Stunde von uns verlangt.
Amen.
STARTSEITE/
INDEX
____________________
Literatur: Du hast
mich heimgesucht bei Nacht
Abschiedsbriefe und Aufzeichnungen des Widerstandes 1933 -1945
Herausgegeben von Helmut Golwitzer, Käthe Kuhn, Reinhold Schneider
|