Der letzte Brief
Briefe berühmter Menschen
Der letzte Brief: der königliche aller Briefe. Sein Aroma
ist köstlich.
Was sonst in armseliger Verteilung aus Briefen blüht:
Genialität des Denkens, Glaubens Liebens– im letzten Brief wird er zu
einer Synthese.
Sein Pathos ist unerhört- aber sein Ethos wächst darüber hinaus.
Beide –Pathos und Ethos – werden aufgenommen in die hohe Stimme einer
nie zu
entwirrenden Mystik.
Es ist das Schicksal der letzten Takte der neunten Symphonie, die
eingehen in die
Seligkeit eines metaphysischen Soprans. ....
Ilse Linden/ Der letzte Brief Eine
Sammlung letzter Briefe
Herausgegeben von Ilse Linden /Erschienen bei Oesterheld & Co Verlag
Berlin 1919
KARL LUDWIG FREIHERR VON UND ZU GUTTENBERG
1902 - 1945
Gutsherr
Geboren am 22. Mai 1902 in Würzburg; ermordet am 24. April 1945 in Berlin.
Zeugnis des Freundes
Das Bezwingende an Karl Ludwig von Guttenberg waren die Leichtigkeit, der Zauber
der Anmut, mit denen er das ernsteste Spiel führte.
Es war seine eigene, eigenste Sache, ein Gebot seiner Art, seiner Herkunft: er
mußte sich dorthin stellen, wo nur die wenigsten zu stehen wagten. Aber auch das
tat er nicht ohne Selbstironie, so wenig wie er urteilen, kritisieren, kämpfen
konnte ohne diese; er leitete die „Weißen Blätter", anscheinend ganz als
Dilettant, weil sich eben kein besserer fand, in Wahrheit verhielt es sich so,
daß er der beste war.
Er belächelte seine militärische Stelle, seine Uniform und doch vertrat er das
echte, das vom Rittertum noch geprägte Soldatentum.
Hätte er nicht ganz und gar der sein müssen, der er war, er hätte vielleicht
seine Zeit nicht ertragen; so ging er durch sie hindurch, handelte er gegen sie
mit der Selbstverständlichkeit höchster Grundsätze, die Adel ist. Von allem, was
ihn trug, sprach er kaum in Andeutungen; die Überlieferung, das
undurchbrechliche Gesetz der Familie, die Wärme persönlichen Glücks sah er immer
in der Beziehung zum Ganzen, in der Verantwortung für das Ganze; Geschichte war
für ihn Gegenwart, sein ungekrönter König sein Herr, vor dem die Gewaltigen der
Stunde in Schein zerflossen.
Da er nicht anders denken und handeln konnte, so war er zuversichtlich; aber er
war es nicht ohne die stumme Bereitschaft zum äußersten Opfer; und er war es
auch nicht auf Kosten des Urteils, prüfender Nüchternheit, die sich über die
Gegner, deren Vorteilt und Kräfte über die Konstellation der Stunde unbarmherzig
Rechenschaft gab. Für ihn hatte das Wort noch seine ursprüngliche Wirklichkeit,
die hoch über der Schrift steht.
Wenn er sich den Wahlspruch seiner Familie „Treu und verschwiegen" zur
persönlichen Devise wählte, so bedeutete das mehr, als wir ermessen können:
diese Worte konnten ja nicht anders gesprochen werden als durch ein Leben, durch
Todessicherheit.
Sein Auftrag war: Rittertum; dieses ganz und nicht mehr. Daß dieser Auftrag die
innigste Bande des Herzens rücksichtslos zerschnitt, war das ihm auferlegte
Opfer, es ist sein Vermächtnis und seine Verheißung. Sein Geschick aber war die
Zeit, in der Georg nicht mehr dem leibhaftigen Drachen begegnet; der Drache ist
unkenntlich geworden, eingewühlt im Schlamm, eingegangen in die Luft; er ist das
unwesentliche Wesen und darum eben mächtiger als der Drache in Gestalt. Aber
auch der Ritter hat sich verwandelt; er führt nicht mehr Lanze und Schwert und
der Sieg hat nicht mehr den Glanz, den er für die Vorfahren hatte; der Sieg ist
das Kreuz, die Ritter sind nicht mehr Wächter am Grabe; sie steigen hinab ins
Grab und seine Schmach, um Den zu bezeugen, der sie rief.
Der Adel führt keine Fahne mehr: er hat das Schicksal des Hohen überhaupt; er
soll Zeichen sein der Wahrheit, der Liebe, deren göttliche Erscheinung
geschändet wurde. An der Stelle, wo der Adel ganz in das Verborgene, Echte,
Unzerbrechliche eingeht, steht Karl Ludwig von Guttenberg; ihm war die höchst
seltene Eigenschaft verliehen, Andere zu verwandeln, zu verpflichten, auf ihren
Weg zu schicken ohne Befehl und ohne sich selber ernst zu nehmen.
Denn ernst nahm er nur seinen Auftrag. Es ziemt sich nicht, von einem
Schweigsamen viel zu reden. Und was wüßten wir auch von seinen innersten Kämpfen
um den Glauben und die Behauptung der Tradition; was von seiner Not und
Verlassenheit; was von seinem Leiden um die Seinen und um sich selbst; was von
Heiner Angst und seinem Abschiedsblick unter einstürzendem Himmel auf die
Trümmerwelt, die ihm doch als eine freudige Welt aufgegangen war und am Herzen
lag! Und wie könnten wir ahnen, wie tief sich der Herr herabbeugte in seine
Gefangenschaft!
Karl Ludwig von Guttenberg hat in Kindheit und Jugend die Sichtbarkeit der
Tradition noch eben erlebt; ob nun deren letzte Zeichen noch eine kurze Weile
erkennbar bleiben oder morgen untergehen: sie sollten sich alle senken vor
seinem Namen und vor den Namen derer, für die er steht. Adel ist in gleichem
Grade unmöglich und unabdingbar geworden; seine Form ist das ritterliche Nein an
alles, was unritterlich ist; seine Tat das Opfer; seine Burg seine innerste
Gestalt.
Et si omnes ego non.
Reinhold Schneider
An seine Frau
Liebste Therese!
19. Dezember 1944
Zu Weihnachten werden meine treuesten Wünsche bei Euch sein. Ich werde Euch an
diesem Tage, den Du immer zum schönsten des Jahres gemacht hast, ständig mit
meinen Gedanken begleiten. Und da ich weiß, daß Eure Gedanken auch mich suchen,
so werden wir gerade an diesem Hl. Abend besonders eng verbunden sein. Und daß
ich diese Gewißheit haben darf, das danke ich Dir von ganzem Herzen. Den Anderen
sage bitte alles Liebe und Gute ...
Hoffentlich geht es Euch soweit gut, was ich auch von mir, den Umständen
entsprechend, melden kann. Du weißt, wie sehr ich auch an Silvester Euer
gedenken werde, mit treuestem Dank für alles Bisherige und mit den innigsten
Wünschen für die Zukunft. Das neue Jahr birgt soviele Möglichkeiten, daß man nur
darum bitten kann, das einem Auferlegte anständig tragen zu lernen, ohne je Mut
und Zuversicht zu verlieren. Das gilt für Euch wie für mich. In diesem Sinne
eine feste Umarmung und den Kindern einen Kuß.
Dein alter dankbarer Karl Ludwig
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Literatur: Du hast
mich heimgesucht bei Nacht
Abschiedsbriefe und Aufzeichnungen des Widerstandes 1933 -1945
Herausgegeben von Helmut Golwitzer, Käthe Kuhn, Reinhold Schneider
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