RUPERT MAYER
1870 - 1945
S. J. Pater
Pater Rupert Mayer, geboren am 23. Januar 1870 in Stuttgart trat den
nationalsozialistischen Glaubensfeinden mit unbeugsamer Kühnheit entgegen. Allen
Zugeständnissen war abhold. Er gehörte nicht zu einem „heimlichen" Deutschland:
solche Tarnung war ihm fremd. Bereits in seinem ersten Prozeß verteidigt er sich
mit den Worten: „Mir kommt es viel ehrlicher vor, klar zu sagen, was los ist,
als mich durch viele Phrasen durchzuwinden. Bei mir wissen die Leute: So ist es
und so bleibt es!" Vom 5. bis 10. Juni 1937 ist er in Polizeihaft im Gefängniß
dor Geheimen Staatspolizei im Wittelsbacher Palais zu Münchon und daran
anschließend bis 22. Juli im Strafvollstreckunggefängnis in Stadelheim. Hier
seine Eindrücke über den dortigen Aufenthalt: „Ich habe jetzt die schönste Zeit
meines Lebens verbracht. Das sollte man nicht für möglich halten. Ich war so
glücklich, so restlos glücklich wie noch nie im Leben. — Dor liebe Gott hat mir
zu erkennen gegeben — und ich bin ein Verstandesmensch - in diesen Wochen, daß
Er mit mir zufrieden ist. Das macht mich so glücklich; alles andere kann mich
nicht beunruhigen. — Das Gefängnis ist für mich besser als tausend Vorträge für
das katholische Volk, für die Apologie), für das Evangelium, viel besser, als
wenn ich Wunder was vortragen würde... Vorgestern habe ich einen wunderschönen
Satz Paulus im Philipper- Brief gelesen: „Ihr sollt wissen daß meine Lage mehr
zum Fortschritt des Evangeliums beigetragen hat als alles was ich bis bisher
getan. Im ganzen Lande wird bekannt, daß ich meine Fesseln um Christi willen
trage. Die Mehrzahl der Brüder im Herrn faßte Vertrauen durch meine Bande und
wagte es nun, ohne Furcht das Wort Gottes zu verkünden. ... Ist das nicht
wunderbar?" -
Am 22. Juni schreibt er an einen Gestapobeamten:
„Sehr verehrter Herr Inspektor!
Als Sie einmal in meiner Bude in St. Michael mich besuchten, lächelten Sie, als
ich Ihnen sagte, daß ich ins Gefängnis kommen werde — und heute? Und als ich
Ihnen einmal sagte, daß ich im Gefängnis mein Leben beschließen werde — da
wollten Sie es nicht glauben, wenigstens äußerten Sie sich so. Und doch wird es
so kommen — es sei denn, daß ich länger lebe als das heutige System, was Sie
wohl sicher nicht glauben. Aber ich bin darüber keineswegs unglücklich.
Ich fühle mich sogar seelisch sehr wohl und zufrieden. Ich habe mich vollständig
damit abgefunden. Wenn doch die Menschen das verstehen möchten, wie wenig dazu
gehört, innerlich wahrhaft glücklich zu werden! Daß Gott gut ist, das habe ich
immer gewußt, aber daß Er so gut ist, wie ich es in den letzten 14 Tagen erleben
durfte, das hätte ich nicht für möglich gehalten."
Am 5. Januar 1938 wird er erneut verhaftet und auf Anordnung der Gestapo nach
Landsberg/Lech gebracht, weil es ihm in Stadelheim „zu gut" gegangen wäre. In
der zweiten Woche seines Dortseins ersucht er um die Erlaubnis, an den
Reichsführer Himmler einen Brief zu schreiben:
„Sehr verehrter Herr Reichsführer!
Seit dem 5. Januar 1938 bin ich neuerdings in Haft, zuerst im Wittelsbacher
Palais; am 15. kam ich nach Stadelheim, am 17, nach Landsberg a. L., um bis zum
3. Juni hier zu bleiben. Es heißt nun, ich sei nach Landsberg gekommen, weil es
mir seiner Zeit in Untersuchungshaft in Stadelheim „zu gut gegangen sei". So
habe sich die politische Polizei zu meinem Fall geäußert.
Ich war über dieses Gerede sehr empört, weil es unwahr ist. Ich wollte es nie
besser haben als andere Gefangene, die arme Teufel sind. Ich habe in sämtlichen
Gefängnissen nur Gefangenenkost genossen.
Ich habe alles, was mir gute Menschen an Eß-, Trink- und Rauchwaren geschickt
haben, durch den Arzt und den Oberwachtmeister an arme Kranke abgegeben und nur
einige Äpfel täglich selbst zu mir genommen. Wie soll es mir denn so gut
gegangen sein? Nur die große Ausnahme wurde im Untersuchungsgefängnis
zugebilligt, daß ich abends länger Licht haben dürfte.
Sonst habe ich alles mitgemacht wie die anderen, obgleich mitunter unter großen
Beschwerden. Wahr ist, daß ich anständig behandelt wurde, und zwar mich im
Wittelsbacher Palais, ich war im dortigen Gefängnis bereits zweimal, man kann
sich dort nach meiner Lebensart genau erkundigen. Ich habe sogar das Recht, auch
als Gefangener eine anständige Behandlung zu verlangen, solange ich mich
anständig benehme. Wenn ich anständig behandelt wurde, so hat man doch kein
Recht zu behaupten: es sei mir in Stadelheim zu gut gegangen.
Ich bitte daher Herrn Reichsführer, meine angegriffene Ehre bei der Polit.
Polizei in München und bei der dortigen Staatsanwaltschaft wiederherzustellen.
Wenn es Herrn Reichsführer interessieren sollte, so teile ich Ihnen mit, daß ich
hier in Landsberg wunschlos glücklich bin. Schon die Alten sagen, süß ist es
fürs Vaterland zu sterben, auch zu leiden; das letztere durfte ich in reichem
Maße erfahren, und ich möchte es in meinem Leben nicht missen, aber noch süßer
ist es für den hl. Glauben zu leiden und auch zu sterben. Das macht mich hier im
Gefängnis so glücklich, und so viele Tausende junge Leute in Deutschland stärkt
dien wieder im katholischen Glauben. Auch das macht mich so glücklich. Ach, wenn
doch die maßgebenden Kreise den Kampf gegen die Kirche einstellten. Wie ganz
anders würde sich alles schöner und ruhiger entwickeln!
Mit deutschem Gruß
Ruppert Mayor S. J.'
Aufschlußreich sind seine Eintragungen in den Erhebungsbogen, den er bei seinem
Eintritt ins Gefängnis Landsberg auszufüllen hatte. Hier der Schlußsatz seines
Lebenslaufes: „Nach einem Leben reich an Erfolgen, aber auch reich an
Enttäuschungen und Undank, landete ich nun glücklich im Gefängnis.
Ich bin mit diesem Los aber keineswegs unzufrieden; ich empfinde es nicht als
Schande, sondern als die Krönung meines Lebens."
Der Gefängnispfarrer schreibt: „P. R. Mayer hat als Gefangener der Strafanstalt
Landsberg a. Lech heiligmäßig gelebt. Möge die Stunde kommen, in der wir sein
Bild aufhängen dürfen in den Zellen, in denen er gelebt und in der wir ihn
anrufen dürfen als Patron der Gefangenen."
Am 3. November 1939 wird er wiederum verhaftet und ins Konzentrationslager
Sachsenhausen bei Oranienburg gebracht. Von dort erzählt er Folgendes: „Ich habe
in jener Zeit einmal geträumt, daß ich erschossen würde. In demselben Augenblick
wurde es in dem Gefängnis sehr laut. Ich war noch ganz in dem Traum befangen und
dachte nicht anders, als daß ich nun geholt würde. Nun überkam mich plötzlich
eine nie erlebte Seligkeit.
Ich konnte es gar nicht fassen, daß ich dazu ausersehen sei, als Märtyrer zu
sterben. Ich hatte mich bereits erhoben, um gleich fertig zu sein — da
entfernten sich die Schritte wieder von meinem Zimmer. Das war eine sehr große
Enttäuschung, aber der ganze Vorgang hat mir oft Mut gemacht, da ich tatsächlich
gern für den Glauben gestorben wäre. Doch noch ein Gutes hatte dieses Erlebnis;
ich hatte es nun an mir selbst erfahren, wie leicht es der liebe Gott durch
Seine allmächtige Gnade denen machen kann, die für den hl. Glauben sterben
müssen oder besser sterben dürfen."
Brief an seine Mutter vom 16. Januar 1940
Deinen Brief vom 22. Dezember habe ich am vergangenen Sonntag erhalten.
Das war eine Sonntagsfreude! Gottlob habe ich mich mit meinem Los völlig
abgefunden. Ich bin froh, daß ich meine Lebensbedürfnisse schon immer freiwillig
auf das Mindestmaß zurückgeschraubt habe.
Das kommt mir jetzt unendlich zustatten. Was ich durchaus notwendig brauche, das
bekomme ich und mehr will ich nicht. Ein einsamer Mensch war ich trotz des
äußeren riesigen Umtriebs mehr oder weniger immer; auch das kommt mir zustatten.
Jetzt habe ich wirklich nichts und niemand mehr als den lieben Gott. Und das ist
genug, ja übergenug. Wenn das die Menschen doch einsehen wollten! Es gäbe viel
mehr Glückliche auf Erden. Ich suche jeden Gedanken an Vergangenheit und Zukunft
auszuschlagen und mich ganz auf mein Tagewerk zu konzentrieren; dann habe ich
meine Ruhe.
So geht ein Tag nach dem anderen vorbei — unglaublich schnell! So hoffe ich
bereit zu sein, wenn der Herr ruft. —
Ich bin von allen und allem abgeschlossen und höre nichts mehr von der Welt. Das
ist gut so, denn ich kann ja doch nicht helfen und nichts ändern. Ich suche zu
beten und zu opfern. Mehr verlangt jetzt Gott nicht von mir; sonst hätte Er
anders gefügt. Ich sah das seit längerer Zeit auf mich zukommen; in St. Michael
habe ich öfters davon gesprochen. Keiner hat' geglaubt.
Nun ist es so gekommen. Gott weiß warum!
(Ohne Datum )
Liebe Mutter!
Du wirst verstehen, daß ich über das, was mich wieder ins Gefängnis gebracht
hat, nichts schreiben kann. Ich bin nur froh, daß ich seit Jahren selbst mit den
nächsten Familienangehörigen keinen Kontakt mehr hatte. So kann meinetwegen auf
keines derselben auch nur der leiseste Schatten fallen.
Das eine Gute haben die Verhältnisse jedenfalls mit sich gebracht, daß ich dem
lieben Gott in den letzten stillen Wochen innerlich um ein gutes Stück näher
gekommen zu sein glaube und daß ich in demselben Ausmaß von allen irdischen
Dingen seelisch abgerückt bin.
Ich kann Gott dem Herrn dafür nicht dankbar genug sein. Und so mache ich mir um
meine Zukunft nicht die geringste Sorge. Ich lege alles in Gottes Hand. So bin
ich innerlich restlos ruhig und zufrieden. Ich glaube, Dir und allen Lieben dies
zur Beruhigung mitteilen zu müssen. Täglich denke ich an Vaterle.
Du hast mir nach seinem Tod seinen besten Mantel geschickt. Derselbe hat mir
seitdem unsägliche Dienste geleistet. Zuerst zum Ausgehen, dann im Beichtstuhl
und dann ist er mein steter treuer Begleiter ins Gefängnis. Da dient er
regelmäßig dazu, den harten Stuhl etwas zu polstern und für mich gebrauchsfertig
zu machen. Ist das nicht rührend? Wie freue ich mich, den guten Papa bald
wiederzusehen.
Da man befürchtete, Pater Mayer würde als Märtyrer im KZ sterben, wurde ihm
plötzlich am 8. August 1940 angekündigt, daß er in einer halben Stunde
abtransportiert würde. Er machte sich darauf gefaßt erschossen zu werden und bat
Gott um Seine Hilfe. Es kam anders. Man lieferte P. Mayer im Kloster Ettal ab,
um ihn dort verschwinden zu lassen. Unter dem Druck der Gestapo verpflichtete
sich das Ordinariat, daß P. Mayer in keiner Weise mit der Außenwelt in Berührung
kommen und keine gottesdienstlichen Handlungen im Kloster vornehmen würde. Damit
begann eine harte Zeit für ihn - hier folgen seine eigenen Äußerungen:
„Seitdem bin ich lebend ein Toter, ja, dieser Tod ist für mich, der ich noch so
voller Leben bin, viel schlimmer als der wirkliche Tod.
Der Gestapo und der ganzen Bewegung konnte und kann ich keinen größeren Gefallen
erweisen, als hier ruhig abzusterben . . . Wenn ich nicht schon längst auf und
davon gegangen bin — sie könnten mich dann ruhig einsperren oder um einen Kopf
kürzer machen -, so hält mich die Rücksicht auf das Kloster, das für mich
verantwortlich ist, hier fest, ferner die Rücksicht auf meinen Orden, dem ich
durch mein Entweichen von Ettal manche Ungelegenheit bereitet hätte.
Die Rücksicht auf manche gute, liebe Menschen, denen ich durch erneute
Einlieferung in ein Gefängnis oder ein KZ oder gar durch meinen dadurch
herbeigeführten Tod großes Herzeleid zugefügt hatte. Die Rücksicht auf den
lieben Gott, dem ich durch meinen jahrelangen Kreuzweg und die dadurch
allmählich erfolgte Loslösung von allem Irdischen und Zeitlichen entschieden
näher gekommen bin, wie wohl nie in meinem Leben.
Sollte ich diese gerade Linie, die ich seit Jahr und Tag eingehalten habe mit
der Gnade Gottes, nun durch eigenmächtiges Vorgehen gewaltsam unterbrechen? Vom
Standpunkt des Glaubens aus betrachtet, glaube ich diese Frage glatt verneinen
zu müssen.
So will ich das Kreuz weitertragen und büßen und sühnen für meine eigenen Fehler
und Schwachem, bis der liebe Gott durch sein Eingreifen dieses Kreuz wieder
abnimmt .
Auch für die kommende Zeit soll mein Losungswort heißen: „Näher mein Gott, zu
Dir!"
Er war zu einem großen Einsiedler geworden. Nur über Brücke des Gebetes gingen
seine Wege zu der Menschen Leid und Not. So wurde er reif für den Himmel auf
jener letzten Station des Leidensweges. Er selber sagte damals „Alles vergeht,
nichts bleibt uns; nur in Gott liegt unser Glück.
Der liebe Gott geht dem Menschen auch nach, bis er sich nur noch an Ihn allein
klammert." Und er schreibt aus Etta an Bekannte „Meine Zukunft liegt in der Hand
Gottes und das genügt." Immer wieder gedenkt er des Wortes des hl. Augustinus :
„Unruhig ist unser Herz, bis es ruhet in Gott!" Sein Lieblingsgebet lautet:
Herr, wie Du willst, soll mir geschehen,
und wie Du willst, so will ich geh'n;
Hilf Deinen Willen nur versteh'n!
Herr, wann Du willst, dann ist es Zeit;
und wann Du willst, bin ich bereit,
Heut und in alle Ewigkeit.
Herr, was Du willst, das nehm' ich hin
und was Du willst, ist mir Gewinn,
Genug, daß ich Dein Eigen bin.
Herr, weil Du's willst, drum ist es gut;
und weil Du's willst, drum hab' ich Mut.
Mein Herz in Deinen Händen ruht!
Nach dem Einmarsch der amerikanischen Truppen in Südbayern Anfang Mai 1945 war
die Rückkehr P. Rupert Mayers nach München eine Selbstverständlichkeit.
Wieder sollte er Beichtvater und Prediger, Präses und Caritasapostel sein. Am
Allerheiligentag 1945 vor dem Altar der Kreuzkapelle von St. Michael stehend,
sprach er predigend seine letzten Worte, und gab damit sein am Rande des
Bewußtseins schwebendes Tun unmittelbar in die Hände Gottes.
Er hatte die Messe begonnen mit dem Introitus: „Gaudeamus omnes in Domino - wir
wollen alle froh werden im Herrn."
Mit seiner Predigt war er ungefähr ans Ende gekommen und er wollte noch einen
Satz sagen. Der fing an mit den Worten: „Der Herr —" weiter ist er nicht
gekommen — den Satz, den er auf Erden angefangen, hat er im Himmel vollendet.
Und die Vollendung hat geheißen — ohne Zweifel: „ist gut!"
Der Herr — ist gut —! Ja:
Der Herr ist gut!
Amen!
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Literatur: Du hast
mich heimgesucht bei Nacht
Abschiedsbriefe und Aufzeichnungen des Widerstandes 1933 -1945
Herausgegeben von Helmut Golwitzer, Käthe Kuhn, Reinhold Schneider