MAX JOSEF METZGER
1887 - 1944
(Bruder Paulus)
Bruder Paulus, geboren am 3. Februar 1887 zu Schöpfheim in Baden,
gründete die Christkönigsgesellschaft vom Weißen Kreuz, die sich ein
dreifaches Ziel gesetzt hatte: sozial - caritative Arbeit und
Seelsorgshilfe, christlicher Pazifismus und Befriedung der Völker und
schließlich Einigung der christlichen Konfessionen [Una Sancta].
Der nationalsozialistische Staat sah in ihm einen gefährlichen Feind.
1934 wurde er vier Wochen, 1939 elf Monate in Gefangenschaft gehalten.
Am 29. Juni 1943 wurde er in Berlin erneut verhaftet und am 14. Oktober
1943 zum Tode verurteilt. Am 17. April 1944 erlitt er zu Brandenburg den
Tod als Blutzeuge für den Frieden, dem er seine ganze Lebensarbeit
geweiht hatte. Sein letztes Wort war: „Vater, In Deine Hände gebe ich
meinen Geist."
„Nichts könnte meinem Leben einen sinnvolleren Abschluß geben, als wenn
ich für den Frieden Christi im Reiche Christ mein Leben hingeben
dürfte."
Aus dem Testament Dr. M. J. Metzgers vom Jahre 1943
Gruß an die Mitgefangenen
Brüder! Es ist für uns alle bitter, der Freiheit beraubt zu sein. Aber
spricht nicht der Dichter von dem Menschen, der frei ist, wär' er auch
in Ketten geboren? Wer jeder Lage überlegen ist und aus jedem Los Gewinn
schöpft, ist wahrhaft frei. Gibt es das?
Der Apostel Paulus, selbst in Banden, sagt; „Denen, die Gott lieben,
gereicht alles zum Besten." Weil ich wünschte, daß Ihr alle so frei und
froh sein könntet wie ich, habe ich Euch dies geschrieben.
Es grüßt Euch Euer Bruder, der Euer Los teilt,
Paulus
Aus dem Gefängnis
28. Januar 1934
In meiner Zelle
Ich seh' nicht viel von Deiner Sonne,
Gar schmaler Streifen Himmel blaut mir nur.
Ich seh' nicht mehr die mir vertrauten Augen.
Verwischt ist aller Liebe Spur.
Doch seh' ich eins: Dein Antlitz leuchtet
Durch alle Dunkelheit mir Tag für Tag.
Mit spitzen Dornen seh' ich Dich umwunden;
Du blickst mich an mit wehestummer Frag':
„Bist Du mein Jünger nur in frohen Stunden?
Folgst Du mir nur auf Tabors sel'ge Höh'n?
So muß zum Kreuzeshügel einsam
Ich meinen Weg alleine gehn . . . ?"
Ach nein, mein Herr! Dein Antlitz leuchtet
Umsonst mir nicht in bangedüst'rer Nacht!
Ich geh' den Weg mit Dir! Mit Dir am Kreuze
Dein Jünger hält in Liebestreue Wacht.
Brief an Sr. Judith Maria, die Oberin der Berliner Station
11. November 1939
Du weißt bereits, daß mir eine stille Zeit auferlegt ist. Wie lange sie
dauern wird, weiß ich nicht. Ich bin froh, wenn sie bald zu Ende geht.
Aber - es mag Dir vielleicht eigenartig erscheinen, aber es ist mir
Ernst — ich bin gar nicht unglücklich, wenn sie auch länger dauert, wenn
sie nur fruchtbar wird für mich.
Und ich meine, es wird so sein. Ich habe schon lange verlangt nach einer
Zeit stiller Sammlung, fernab allen „Geschäften". Ich habe nie die Zeit
und Kraft gefunden, mich loszureißen und in die „Wüste" zu gehen, die
doch für Paulus Segenszeit war.
Nun hat Gott mir einfach Exerzitien verordnet. Ich nehme sie gern an.
Ja, ich kann sagen, ich habe schon lange nicht mehr so ein Glücksgefühl
in mir gehabt wie in diesen Tagen, da ich nur dem Worte Gottes lebe von
früh bis abends.
Ich glaube, ich würde ganz zufrieden dabei, einmal längerer Zeit dieser
herrlichen Arbeit obliegen zu dürfen. Freilich wünsche ich, die
menschlichen Möglichkeiten dazu zu haben, einige Bücher, Papier und
Tinte! Aber selbst, wenn es mir nicht gewahrt würde, will ich mir die
Freude nicht nehmen lassen, ja, ich freue mich geradezu der wirklichen
Armut und des Gehorsams, in dem ich hier stehe, um wenigstens einmal
Ernst zu machen mit dem, was ich ändern predige und selbst vielleicht
nicht so vollkommen zu erfüllen scheine. Hier kann ich es. Habe kein
Bangen um mich. Freu' Dich mit mir dieser Gnadenzeit! Denk mal, hier
heißt es wirklich Naturschlaf! Licht gibt es keines. So legt man sich
abends nach dem im Halbdunkel eingenommenen Abendbrot [ein Brei oder
dicke Suppe) auf das Lager und — und muß darauf bleiben, bis es wieder
hell wird.
Das ist jetzt ¾7 Uhr! Also 12 Stunden! Natürlich kann man nicht die
ganze Zeit schlafen. Da hat man Zeit, sich aller Lieben einzeln zu
erinnern und sie Gott zu empfehlen. Ich spüre hier: Die äußere
Gebundenheit macht nicht unfrei. Frei ist, wessen Geist groß genug ist,
um alle Vorkommnisse zu meistern. Und das ist nur möglich in Gott.
Daher die „Freiheit der Kinder Gottes. . .",
Nun empfehle ich alles — dem Herrgott, in dessen Hände wir alle
wohlgeborgen sind. Er segne Dich und uns alle.
Br.P.
Nun bin ich einen Monat in Haft und habe keine Aussicht, so bald wieder
zu Euch zu kommen. Ich trage mein Schicksal gefaßt und froh im
Bewußtsein, Volk und Vaterland gemäß meinem Gewissen gedient zu haben.
Alles andere steht bei Gott.
Er wird alles recht fügen. Seid nur unbesorgt.
Wenn auch der Himmel mit Wolken verhängt ist, die Sonne geht wieder auf
zu ihrer Zeit. Deus providebit.
14. Oktober 1943
Hauptverhandlung beim Volksgerichtshof Berlin unter Vorsitz des
Präsidenten Dr. Roland Freisler
Zum Tode verurteilt!
Nun ist es also geschehen.
Ich bin ruhig. Ich habe mein Leben Gott angeboten für den Frieden der
Welt und die Einheit der Kirche. Wenn Gott es annimmt, freue ich mich;
wenn Er mir noch weiter das Leben schenkt, bin ich auch dankbar.
Wie Gott will. Sagt allen Brüdern und Schwestern einen letzten Gruß und
seid nicht traurig.
Das Christkönigsfest wird etwas schwer werden, aber singt trotzdem
Allein ja. Und bleibt Eurem König Christus treu!
Brandenburg
24. Oktober 1943
Ich bin nun in Brandenburg - Görden. Es ist wohl die letzte Station,
wieder etwas schwerer, aber Gott gibt mir Kraft und Gnade, froh zu allem
Ja zu sagen.
Was ich am meisten entbehre ist das Gotteswort. Wie glücklich seid Ihr,
daß Euch das heilige Buch stets zur Verfügung ist. . .
Froh bin ich zu hören, daß Ihr treu und tapfer dient. Dienen ist der
Sinn des christlichen Lebens, dienen aus Liebe! Müht Euch alle um diesen
Segen für Euch wie für die anderen!
Und nun Gott befohlen! Was Er tut, das ist wohlgetan! Singt mit mir aus
dem Gesangbuch: Mitten in dem Leben. . . und: Was Gott tut, das ist
wohlgetan. . . , die es mir angetan haben! Was für ein Trost liegt in
diesen beiden Liedern!
Grüßt alle herzlichst und vergeßt nicht Euren Euch im Leben und Tod
verbundenen
Br. Paulus
In Deinen guten Händen
ruht meines Lebens Los.
Die Todesdrangsal wenden
mag Deine Allmacht bloß.
So ruf1 aus Herzensgrunde
zu Dir ich, starker Gott!
Mach, Herr, mein' Seel* gesunde!
Errett' mich vor dem Tod!
Kyrie eleison!
Dem Vater blind vertrauen
will ich sein gläubig Kind.
Auf wen soll ich sonst bauen,
wo allum Feinde sind?
O treue Vaterliebe,
halt über mich die Hand!
Ja, ohne Dich verbliebe
mir keiner Hoffnung Pfand.
Kyrie eleison!
Die Lichter all ersterben.
Schon ruht die grause Nacht.
Soll also ich verderben?
Hält keiner ob mir Wacht? -
Die Sonne mag vergehen,
es bleibt Dein ewig Licht,
mag alle Welt verwehen:
Du, Herr, verläßt mich nicht.
1. Februar 1944
Nur noch ein Gebet: Heiliger, allmächtiger Gott!
Mein Vater! In der großen Not meines Lebens komme ich zu Dir im
Vertrauen auf die Verheißung und das für mich vergossene Blut Deines
einzigen Sohnes. Mit Jesus Christus, meinem Herrn und Meister, flehe ich
zu Dir: „Vater! Wenn es möglich ist, so laß diesen Kelch an mir vorüber
gehen! Doch nicht mein, Dein Wille geschehe!"
Ja, ich glaube, was immer Deine weise und gütige Vorsehung über mich
verfügt, es wird mir zum Heile sein.
So sage ich im voraus dazu das vorbehaltlose Ja meines Gehorsams. In
Jesu Namen bitte ich Dich: Gib mir die Kraft des Hl. Geistes, daß ich
bis zuletzt in diesem vertrauenden Gehorsam verharre!
Dann weiß ich, daß ich Dein Kind bin und bleibe und Erbe Deines ewig -
seligen Lebens. — Amen.