Der letzte Brief
Briefe berühmter Menschen
Der letzte Brief: der königliche aller Briefe. Sein Aroma
ist köstlich.
Was sonst in armseliger Verteilung aus Briefen blüht:
Genialität des Denkens, Glaubens Liebens– im letzten Brief wird er zu
einer Synthese.
Sein Pathos ist unerhört- aber sein Ethos wächst darüber hinaus.
Beide –Pathos und Ethos – werden aufgenommen in die hohe Stimme einer
nie zu
entwirrenden Mystik.
Es ist das Schicksal der letzten Takte der neunten Symphonie, die
eingehen in die
Seligkeit eines metaphysischen Soprans. ....
Ilse Linden/ Der letzte Brief Eine
Sammlung letzter Briefe
Herausgegeben von Ilse Linden /Erschienen bei Oesterheld & Co Verlag
Berlin 1919
HANS OSTER
1887 - 1945
General
Als Pfarrersohn in Dresden 1887 geboren. Aktives Mitglied des Widerstandes in
der Abwehr.
Am 9. April 1945 im KZ Flossenbürg von der Gestapo ermordet.
Aus letzten Briefen
8. August 1944
Untersuchungshaft Dresden
... Das unbeirrbare Festhalten - Können an der Wahrheit gibt mir Kraft,
Zuversicht und ein festes Herz. In stiller Demut neigen wir uns vor der Allmacht
und dem Walten unseres Herrgottes.
Sein Wille möge geschehen!
11. August 1944
... Du weißt, daß ich die stille Einsamkeit immer geliebt und gesucht habe, in
der man zu sich selbst kommt, sich mit dem Herrgott unterhält und sich
überprüft. Diese unfreiwillige Einsamkeit aber, die die Gefahr einer vielleicht
eingebildeten Verlassenheit in sich trägt, ist eine Prüfung, die nur in
demütiger Geduld ertragen werden kann und muß.
Man hat zuviel Zeit zum Nachdenken über Erlebtes, Vergangenes und Zukünftiges
und muß sich hüten, sich dabei nicht in das Zergrübeln zu verlieren. Deshalb
ersehne ich, wie Du verstehen wirst, eine abschließende Klärung, der ich
weiterhin in gelassener Ruhe mit Zuversicht und Gottvertrauen entgegensehe.
Prinz-Albrecht-Straße Berlin
Weihnachten 44
... Unsere Gedanken haben sich wohl insbesonders bei unserem geliebten Harald
getroffen, der in seinem Schicksal über uns durch seine Haltung hinausgewachsen
ist und uns immer in seiner überlegenen Sicherheit des Glaubens ein leuchtendes
Beispiel bleiben wird.
19. Januar 1945
... Die Tage um Stalingrad jähren sich zum zweiten Male, ohne daß wir irgendeine
Gewißheit um das Schicksal unseres geliebten Harald hätten. Der Junge hat mir
heute vor zwei Jahren, am 19. 1. 43, einen Abschiedsbrief geschrieben unter
Beifügung seiner kleinen goldgeschnittenen Konfirmationsbibel, seiner
Photographie und seines EK I, den Du wohl unterdessen unter meinen Andenken in
Schnaditz gefunden haben wirst. Der kurze Brief hat mich durch seine saubere und
überlegene Haltung stark beeindruckt; aus begreiflichen Gründen habe ich Dir den
Brief bis jetzt vorenthalten. Indessen ein solcher Brief kann uns nur stark und
fest machen im Glauben; wir sollen, dürfen und können stolz und dankbar sein,
einen solchen Jungen unser eigen zu nennen.
Du kennst mich genug und weißt daher, daß ich dazu neige, die Dinge im Leben
sehr ernst zu nehmen und mit dem Ungünstigsten zu rechnen, um eintretende
Enttäuschungen und Rumpler um so fester ertragen und aussitzen zu können. Auch
mag mein herrlicher Beruf und das Leben mich dazu erzogen haben. Ich habe mich
daher in den Gedanken hineingelebt, daß der Junge, so wie er war, einen
anständigen Soldatentod gestorben ist. Sollte dies ein Irrtum sein und wir den
Jungen in leiblicher Gestalt wiedersehen, so hat der Herrgott ihn uns in Seiner
Gnade von neuem geschenkt.
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Literatur: Du hast
mich heimgesucht bei Nacht
Abschiedsbriefe und Aufzeichnungen des Widerstandes 1933 -1945
Herausgegeben von Helmut Golwitzer, Käthe Kuhn, Reinhold Schneider
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