UNBEKANNTER PREUSSISCHER OFFIZIER
Gefallen am 14. Oktober 1806
Nach der Niederlage der preußischen Truppen gegen
Napoleon wurde dieser Brief von einem Bewohner gefunden. Nach den in dem
Brief erwähnten Details dürfte es sich um einen Ordonnanz des Stabes
Hohenlohe gehandelt haben, der wahrscheinlich der Berliner Garnison
angehört hatte. Knapp zwei Wochen nach der Schlacht zog Napoleon
kampflos in Berlin ein.
Kapellendorf, Montag
nachts.
Dies ist, meine Blanche, nun wohl der letzte Brief vor dem großen Spiel
der Würfel und der letzte vielleicht, den ich, hingestreckt am
Lagerfeuer und umgeben von
dem Lärm der allenthalben schon erwachenden Armee Dir schreibe. Arme
elende Zeilen, flattert denn hinweg über den Abgrund zwischen Leben und
Tod, umarmt statt meiner die Geliebte! Ach wie gern hätte ich Dir in den
letzten bewegten Tagen geschrieben, wären die Ereignisse, die
mannigfachen Rufe der kriegerischen Pflicht, die Schicksalsschläge nicht
allzu schnell einander gefolgt! Ritte hierhin und dorthin, durch das
rauhe Gebirg, durch das Gedräng der Bagagen und ermattete Truppen, die
nicht immer gutwillig und oft genug verdrossen und verstört schienen.
Vorgestern schickte mich der Fürst, Versprengte vom Bataillon Rabenau zu
sammeln, das bei der Saalfelder Affäre engagiert gewesen war - ach, wie
brach mein Herz beim Anblick dieser Männer, in deren Augen noch das
Entsetzen war! Wie gedachte ich des Prinzen, der auf Adlersfittichen
Preußens glanzvollste Hoffnungen trug und nun dahingemaht ist wie so
viele Gefährten! Ach meine Blanche, schwer ist mein Herz, und noch
schwerer ist, Dir zu sagen, wie ahnungsvoll es ist. Gestern Abend war
ich bei der Avantgarde, sah in die dämmrigen Nebel des Tales hinab,
spürte dort vielfach geheimnisvolles Werden und wußte: es ist das
Schicksal, das uns allen von dort aufsteigt. So lange wir sind, wie wir
diese Welt betreten, ist der Korse unüberwindlich - ach, und wer von uns
vermöchte wohl, sich hinüberzuschwingen in eine neue, andere Zeit ohne
Poesie des Gemütes? Blanche, meine Blanche, ich fühle, daß ich morgen
sterben werde, das Stöhnen des Morgenwindes, der Duft des modrichten
Herbstlaubes, jeder Puls des Herzens sagt es mir.
Und obwohl mir Todesangst nicht fremd ist: kann ichs denn anders wollen,
und war es nicht in den reinsten Träumen so, daß ich mir den Tod des
Jünglings wünschte? Das Leben ist noch verklärt und hell, mag es denn so
bleiben, wenn mein Herz den letzten Schlag tut und mein letzter
erlöschender Gedanke bei Dir ist.
Der Frühwind beginnt und
die Feuer sind herabgebrannt, es beginnt der große Tag. Geliebte leb
wohl, Freundin heiligster Stunden, ich umarme Dich als der noch Atmende,
wie meine letzten Gedanken Dich umfangen sollen.
Ewig der Deine Fritz
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Dies sind nun also
die letzten Zeilen Werner Fuld Krüger Verlag Erschienen im Krüger
Verlag, einem Unternehmen des S. Fischer Verlag GmbH 2007