Heinz Erich St.
geb. unbekannt - 1944
Oberleutnant
Berlin, den 16. Oktober 1944 Gefängnis Moabit
Geliebte!
Es war mir nicht mehr vergönnt, mich persönlich von Dir zu verabschieden, so
will ich es kurz schriftlich tun. Vor allem, damit Du die Gewißheit hast, daß
meine letzten Gedanken auf dieser Welt nur Dir gehören. Anne-Liese, Du Gute, ich
habe nur eine Bitte an Dich, Du mögest Dein Schicksal so leicht tragen wie ich
meines. Ich sterbe im festen Glauben an Gott und ein Wiedersehn im Jenseits.
Deshalb bitte ich Dich, Du Liebe, Du wollest auch ganz fest auf Gott vertrauen.
Ich sagte Dir bei Deinem letzten Besuch, daß Gott bestimmt alles zum besten
fügen wird, und das tut er denn auch, denn: „Welche ich liebhabe, die strafe und
züchtige ich. So sei nun fleißig und tue Buße." Den letzten Satz, liebe
Anne-Liese, wollest Du so verstehen, daß Du nicht etwa verzweifelt und traurig
sein sollst, sondern dankbar für die schönen Stunden, die uns in dieser kurzen
Zeit geschenkt waren — morgen wären es genau dreiundzwanzig Monate - und still
meinem Andenken leben sollst. Glaube fest an Gott und bete zu Ihm nicht für mich
— denn ich bin zu diesem Zeitpunkt, wenn Du dies liest, schon bei Ihm —, sondern
für Dich und Deinen Sohn und alle Lieben, daß Ihr das Leid leicht tragen
möchtet. In kurzer Zeit, meine geliebte, gute, treue Anne-Liese, werden wir ja
wieder vereint werden, und dann werden wir noch viel glücklicher werden als
bisher. Im Geist umarme ich Dich und Hans-Detlef und gebe Euch den Abschiedskuß.
Wenn Du mich auch nicht mehr siehst, so bin ich immer um Dich und denke Deine
Gedanken und fühle Deine Gefühle.
Auf Wiedersehen!
Dein Hans-Erich
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Literatur: Du hast
mich heimgesucht bei Nacht
Abschiedsbriefe und Aufzeichnungen des Widerstandes 1933 -1945
Herausgegeben von Helmut Golwitzer, Käthe Kuhn, Reinhold Schneider