HEINZ
STRELOW
1918 - 1943
Dichter. - Geboren 1918. Hingerichtet am 13. Mai 1943.
Plötzensee, am 13. Mai 1943
Mutter, meine liebe Mutter, o, es ist so schwer, Dir nun zu schreiben,
das Schwerste von Allem, Mutter. Ich muss es sagen, wenn Du diesen Brief
in Deinen lieben Händen hältst, dann ist für mich alles vorüber und mein
Lebensweg hat geendet. Ach, wie könnte ich nur Dir das Grausige mildem.
Ich bin dem Schicksal so dankbar, daß ich Dich noch einmal habe sehen
können, Dich umarmen und Dich streicheln und küssen. Es war unendlich
schön.
Was ich Dir schon gesagt habe bei Deinem Hiersein, ich will es Dir
wieder und wieder beteuern: Ich bin ganz ruhig und gefasst und mein Herz
ist heiter und ohne Qual. Ich bin tief und unendlich dankbar dafür. Das
sollst Du wissen, Mui, ich werde ein ruhiges und leichtes Ende haben.
Ich habe es gelernt, mich in Geduld zu fassen und darf nun sagen: Es hat
ein mildes Gesicht!
Was mich am stärksten bedrückt, ist der Gedanke an Dich! An den Kummer,
den es für Dich bedeutet! Mutter, Du weißt, wie ich das Leben, die
schöne Heimaterde und alles Gute und Schöne überhaupt geliebt habe! Und
nun, da ich es lassen muß, so bitte ich Dich ganz tief und inständig :
Liebe es! Liebe das Leben, das schöne, liebe es nun doppelt stark und
für mich mit! Und weine nicht, bitte, meine liebe Mutter, weine nicht!
Nimm Dein Leben in beide Hände und lebe es zu Ende. Das müssen wir. Auch
ich mußte es. Ich bin voll gütiger, froher Zuversicht, nun bald Vater zu
begegnen und Sven und Siegfried, meinen toten Freunden.
Grüße alle lebenden Freunde von mir, alle, die ich sehr tief geliebt
habe....
Ich hoffe, der Krieg wird nun bald zu Ende sein und Ihr, Du aber ganz
besonders, meine liebe Mutter, werdet dann ruhiger und besser leben
können. Vor Allem, daß Du Deinen Garten dann für Dich hast! Mui, das
Leben in der Natur, mit Blumen, Bäumen, Wind und Wolken - das ist das
Leben, alles andere ist daneben nur gering! Aber dem Leben muß man sich
beugen und immer wieder hingeben trotz Allem!
Es ist doch so schön, mit allem Leid! Ich bitte Dich und hoffe, Du wirst
es ruhig und ohne Qual und Bitterkeit im Herzen zu Ende gehen, bis wir
uns einst wieder alle begegnen! Es ist mein letzter, aber ganz tiefer
und inniger Wunsch an Dich!
Und seid heiter, wenn Ihr über mich sprecht und an mich denkt, damit ich
im Geiste noch unter und bei Dir weilen kann, ohne Dich zu verwunden und
Dich in Klagen und Herzensnot zu wissen. Lebe wohl, meine liebe, gute
Mutter, ich umarme Dich und küsse Deine Augen und Deine Hände! Und möge
unser Herrgott Dir beistehen! Ich habe Dich sehr lieb.
Liebe Mutter! Dein Heinz
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Literatur: Du hast
mich heimgesucht bei Nacht
Abschiedsbriefe und Aufzeichnungen des Widerstandes 1933 -1945
Herausgegeben von Helmut Golwitzer, Käthe Kuhn, Reinhold Schneider