WERNER SYLTEN
1893 - 1942
Pfarrer
Geboren am 9. Juli 1893; getötet im KZ Dachau am 26.August 1942.
Aus Briefen an die Seinen
1. Juli 1941
Wie werdet Ihr auf Nachricht warten; nun kommt der erste Gruß aus Dachau. Ich
bin durchaus gesund und wohlauf; Ihr braucht Euch also darüber keine Sorgen zu
machen. -
Wir alle müssen täglich um Geduld bitten — nicht unser, sondern „Dein Wille
geschehe".
Dachau 3 K, den 12-14. Dezember 1941
Ihr Lieben, so ist es uns nicht erspart geblieben, daß wir nach so langer
Trennung auch das Weihnachtsfest nicht in gewohnter Gemeinschaft feiern können.
Wie vielen Familien freilich geht es ähnlich — und wie viele Kinder wissen
schon, daß sie ihren Vater nicht mehr lebend sehen werden! Wir dürfen uns noch
„fröhliche, selige, gnadenbringende Weihnachtszeit" wünschen.
Damals in Bethlehem gab's ja auch großes Herzeleid, und keinerlei
„Gemütlichkeit" war in jenem Stall zu finden. Und doch war es ein Jubilieren und
Fröhlichsein bei Engeln und Hirten, denn der ersehnte Christus war zu den
Menschen gekommen. Seitdem mag es noch so unheimlich zugehen auf Erden, in
unserem Leben, - durch Christus wissen wir, daß Gott der Herr nur Gutes mit uns
vorhat, auch wenn es manchmal ganz anders aussieht.
Es ist ja Weihnachten geworden; das gibt der Welt einen neuen Schein, und wir
können, auch unter Tränen, fröhlich Weihnachten feiern. Drum „singet und seid
froh".
Dachau 3 K, den 11. Januar 1942
„Du Vater, Du rate, lenke Du und wende, Herr, Dir in die Hände sei Anfang und
Ende, sei alles gelegt." Meine Lieben, dunkel Hegt 1942 vor uns.
Unsre Wünsche kennen wir — was Gott über uns beschlossen, wissen wir nicht. Wir
legen alles in Seine guten Hände im Vertrauen, daß Er's in jedem Falle richtig
macht
20./22. Februar 1942
Mein lieber Reinhard, vergiß nie auch im Leid dankbar zu sein. Es gibt immer
vieles, wofür Gott zu danken ist. Schau nur genau hin! Wer dankbar ist, wird
nicht bitter.
Ihr beide seid stets von soviel Liebe umgeben gewesen. Daß das in Euch immer
neue Liebe weckte, Ihr Liebe ausstrahltet.
Die Welt braucht viel, viel Liebe!
14. Juni 1942
Du hast recht, liebe Brunhilde, — in dem Leid dieser Zeit sich dankbar zu
erinnern, wieviel Gutes uns doch auch begegnet ist im Leben. Und haben wir das
Gute aus Gottes Hand empfangen, sollen wir nicht auch willig das Schwere aus
Gottes Hand nehmen, wenn Er es uns schickt? Freilich, wir werden immer darum
ringen müssen: unser Herz sehnt sich nach Glück und Frieden und Gemeinschaft
desto mehr, je mehr es dessen entbehren muß
12. Juli 1942
Mir ist das Herz jetzt oft schwer, so dunkel alles! Gott schenke Euch und mir es
täglich neu, wirklich in allem, auch in den seltsamsten Fügungen, Seinen
gnädigen guten Willen gläubig anzuerkennen.
2. August 1942
„Nun aber bleibet Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei — aber die Liebe ist die
größte." In solcher Gewißheit laßt uns innig verbunden bleiben und immer neuen
Mut und neue Kraft daraus schöpfen.„Wir machen unser Kreuz und Leid nur größer
durch die Traurigkeit" — sondern „stimmt ein Loblied nach dem anderen im . .."
Noch im selben Monat ereilte ihn sein Geschick. In den letzten Tagen gab er
seiner Zuversicht vor dem Tod in einem Gebet Ausdruck:
Gebet
„Wenn mir am allerbängsten wird um das Herze sein,
so reiß mich aus den Ängsten kraft Deiner Angst und Pein.
***
Christus allein kann Segen
auch schaffen aus dem Leid,
auf unbeschwerten Wegen
uns führ'n zur Ewigkeit,
die in dies dunkle Leben
voll Rätsel und voll Streit
kann Licht und Freude geben
und Fried' und Ruh' verleiht,
die uns die Welt bleibt schuldig,
die uns der Mensch nicht gibt.
Drum schaue nur geduldig
auf Christ, der uns geliebt,
daß er sein Leben tauchte
in Nacht und Gram und Tod,
und der am Kreuz noch hauchte:
„Mein Gott, dennoch, mein Gott."
Mein Gott, auch in des Lebens
dunkler Weglosigkeit
laß uns doch nicht vergebens
Not und Verlassenheit
im Schauen auf Dich verwinden.
Reiß uns aus Angst und Pein
und laß am Kreuz Dich finden,
Dich unser Heiland sein.
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Literatur: Du hast
mich heimgesucht bei Nacht
Abschiedsbriefe und Aufzeichnungen des Widerstandes 1933 -1945
Herausgegeben von Helmut Golwitzer, Käthe Kuhn, Reinhold Schneider