Der letzte Brief
Briefe berühmter Menschen
Der letzte Brief: der königliche aller Briefe. Sein Aroma
ist köstlich.
Was sonst in armseliger Verteilung aus Briefen blüht:
Genialität des Denkens, Glaubens Liebens– im letzten Brief wird er zu
einer Synthese.
Sein Pathos ist unerhört- aber sein Ethos wächst darüber hinaus.
Beide –Pathos und Ethos – werden aufgenommen in die hohe Stimme einer
nie zu
entwirrenden Mystik.
Es ist das Schicksal der letzten Takte der neunten Symphonie, die
eingehen in die
Seligkeit eines metaphysischen Soprans. ....
Ilse Linden/ Der letzte Brief Eine
Sammlung letzter Briefe
Herausgegeben von Ilse Linden /Erschienen bei Oesterheld & Co Verlag
Berlin 1919
ADAM VON TROTT ZU S O L Z
1909 - 1944
Legationsrat
Als Mitglied des Kreisau - Kreises trat Adam von Trott zu Solz, geboren 1909 in
Imshausen/Hessen, auf Auslandsreisen mit führenden Staatsmännern in London und
Washington in Verbindung. Aber sein kühner Versuch, Zusicherungen eines
ehrenvollen Friedens für ein von der Hitler-Diktatur befreites Deutschland zu
erlangen, scheiterte.
Nach dem 20. Juli wurde er, der Freund und Mitarbeiter des Grafen Claus von
Stauffenberg, vom Volksgericht zum Tode verurteilt und am 26. August 1944 in
Berlin - Plötzensee hingerichtet.
Aus dem Abschiedsbrief an die Mutter
Berlin - Plötzensee, den 28. August 1944 Königsdamm 7
Liebste Mutter, so kommt es gottlob doch noch zu einem kurzen Wort an Dich; Du
bist mir immer, auch jetzt, sehr nah.
Ich halte dankbar und fest an dem was uns je und je verbindet. Gott ist mir in
diesen Wochen gnädig gewesen und hat mir frohe, klare Kraft zu allem, fast allem
geschenkt - Er hat mich auch gelehrt, wo und wie ich fehlte.
Ich bitte vor allem auch Dich um Vergebung für allen großen Schmerz und daß ich
Dir jetzt noch im Alter diese Stütze nehmen mußte. Dir noch zuletzt einen
dankbaren Herzenskuß und auf Wiedersehen.
Dein Dich sehr liebender Sohn Adam
„In Deinen Geist, Herr . . ."
Berlin - Plötzensee, den 26. August 1944 Königsdamm 7
Liebes Claritchen, dies ist nun leider wohl das allerletzte. Hoffentlich hast Du
meinen letzten längeren Brief noch bekommen! Vor allem: Vergib mir für all den
tiefen Schmerz, den ich Dir verursachen mußte.
Sei gewiß: Ich bin in Gedanken auch weiter mit Dir und sterbe in tiefer
Zuversicht und Glauben.Es ist heute ein klarer „Peking-Himmel" und die Bäume
rauschen. Lehre unsere lieben, süßen Kleinen diese Zeichen und die noch tieferen
unseres Gottes dankbar, aber auch tätig und kämpferisch zu verstehen. Ich liebe
Dich sehr. Es bliebe noch so viel zu schreiben — aber es ist keine Zeit mehr.
Gott behüte Dich - ich weiß, daß Du Dich nicht unterkriegen lassen und daß Du
Dich zu einem Leben durchkämpfen wirst, indem ich Dir innerlich weiter zur Seite
stehe, wenn Du auch anscheinend ganz allein bist. Ich bitte für Deine Kraft -
und Du tu es bitte für mich.
Ich habe in den letzten Tagen noch das Purgatorio gelesen, auch Maria Stuart
und, was mich seltsam stark berührte, den Jürg Jenatsch. Sonst hatte ich solches
wenig — aber sehr vieles in mir, was ich in Ruhe bewegen und klarlegen konnte.
So sei um mich nicht zu bekümmert - alles ist ja im Grunde klar, wenn auch tief
schmerzlich.
— Ich wüßte so sehr gern, wie Euch dies alles praktisch getroffen hat. Ob Du
nach Reinbek willst oder bleibst. Sie werden wohl alle lieb zu Dir sein, meine
geliebte kleine Frau. In meinem andern Brief bat ich um all die vielen
Freundesgrüße, die mir am Herzen liegen.
Aber Du kennst sie genau und wirst sie ohne mich richtig bestellen.Ich umarme
Dich mit ganzer Seele und weiß, daß Du bei mir bist.
Gott segne Dich und die Kleinen in unverbrüchlicher Liebe Dein
Adam
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Literatur: Du hast
mich heimgesucht bei Nacht
Abschiedsbriefe und Aufzeichnungen des Widerstandes 1933 -1945
Herausgegeben von Helmut Golwitzer, Käthe Kuhn, Reinhold Schneider
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