Der letzte Brief
Briefe berühmter Menschen
Der letzte Brief: der königliche aller Briefe. Sein Aroma
ist köstlich.
Was sonst in armseliger Verteilung aus Briefen blüht:
Genialität des Denkens, Glaubens Liebens– im letzten Brief wird er zu
einer Synthese.
Sein Pathos ist unerhört- aber sein Ethos wächst darüber hinaus.
Beide –Pathos und Ethos – werden aufgenommen in die hohe Stimme einer
nie zu
entwirrenden Mystik.
Es ist das Schicksal der letzten Takte der neunten Symphonie, die
eingehen in die
Seligkeit eines metaphysischen Soprans. ....
Ilse Linden/ Der letzte Brief Eine
Sammlung letzter Briefe
Herausgegeben von Ilse Linden /Erschienen bei Oesterheld & Co Verlag
Berlin 1919
Elli Voigt
1912 - 1944
32 Jahre alt - Arbeiterin -
geboren am 22 Februar 1912 in Berlin. - Nach der Heirat mit dem Kommunisten
Fritz Voigt, 1933, kam sie mit der geheimen Widerstandsbewegung der Arbeiter in
Berührung - nach Verhaftung des Gatten im Jahre 1935, der während sechs Jahren
in Gefängnissen und Konzentrationslagern festgehalten wurde, zog sie sich von
der geheimen Tätigkeit zurück, nahm diese aber 1940 wieder auf und schloss sich
der von Erich Fähling und Gustav Wagner geleiteten Widerstandsgruppe an, in die
nach seiner Freilassung auch der Gatte eintrat - nachdem der Gatte in den
Heeresdienst eingezogen worden war, ersetzte sie ihn in der Gruppe «Saefkow» -
sie befasste sich besonders mit der Verbreitung antinazistischer Druckschriften
unter den russischen und französischen Zwangsarbeitern. - Zu. ihrer Verhaftung
und ihrem Prozess besitzen wir keine Unterlagen. - Am 8. Dezember 1944
enthauptet.
8. Dezember 1944
Mein lieber Kamerad!
Es ist mir vergönnt, mich noch von Dir zu verabschieden, was leider den meisten
Menschen nicht möglich ist. Ich weiss, Du würdest, wenn es in Deiner Macht
stände, mir das Schwerste abnehmen. Doch jeder muss für das, was er getan hat,
selbst einstehen. Meine Liebe zu Dir macht es mir leichter, als ich glaubte.
Dass ich Dich bis ins Grab liebe, brauche ich wohl nicht zu versichern. Sei den
Kindern immer das, was ich an Dir hatte, ein Kamerad! Wie es Dir geht, ist mir
nicht bekannt, aber ich glaube doch, wie immer gut. Meine Gedanken sind bei Dir
und zu Haus. Alles Weinen ist jetzt zwecklos. Meine Kinder, Omi und Du machen
mir den Abschied unsagbar schwer. Doch ehe das Bewusstsein richtig da ist, wird
alles vorbei sein. Ich danke Dir für kurze, glückliche Stunden und hoffe, dass
Dir das Leben noch Angenehmes bringen wird. Sei weiterhin das, was Du bisher
warst, ein gerader, aufrechter Mann. In der Hoffnung auf das Leben gehe ich in
den Tod. Ich gehe im Glauben an ein besseres Leben für Euch. Stark wollen wir
sein. Meine besten Wünsche für Dich und die Kinder sind Dir gewiss.
Letzte Grüsse und Küsse.
Deine Elli
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" Und die Flamme soll
euch nicht versengen" / 1955 Steinberg Verlag Zürich 1955
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