BRIEFE BERÜHMTER MENSCHEN

 

 

Der letzte Brief

BRIEFE BERÜHMTER MENSCHEN

 

Der letzte Brief: der königliche aller Briefe.
 Sein Aroma ist köstlich. Was sonst in armseliger
 Verteilung aus Briefen blüht:
Genialität des  Denkens,
Glaubens Liebens
– im letzten Brief
wird er zu einer  Synthese.
Sein  Pathos ist unerhört  - aber sein Ethos
wächst darüber hinaus. Beide – Pathos und Ethos –
werden aufgenommen in die hohe Stimme
einer nie zu  entwirrenden Mystik.  Es ist das Schicksal
der letzten Takte der neunten Symphonie,
die eingehen in die Seligkeit eines metaphysischen Soprans. ....

 
Ilse  Linden
  Der letzte Brief Eine Sammlung letzter Briefe
Herausgegeben von Ilse Linden /Erschienen bei Oesterheld & Co Verlag
Berlin 1919
 

 

 

 

 

BECK LUDWIG


1880 - 1944

Generaloberst
 



Daß der gegen das deutsche Offizierskorps gerichtete Vorwurf, es habe als ein willenloses Instrument dem jeweiligen Machthaber gedient, auf seine besten Vertreter nicht zutrifft, bewies Ludwig Beck (geboren am 29. Juni 1880 in Biebrich/Rhein), der Generalstabschef des Heeres.
Als der echte Erbe der Tradition Scharnhorsts und Gneisenaus widersetzte er sich der Abenteuerlust Hitlers und wurde darauf entlassen. So war er dazu vorbestimmt, der soldatische Führer des deutschen Widerstands zu werden. Er starb am Tag des mißlungenen Attentats vom 20. Juli 1944.



- Paul Fechter schreibt über ihn: „Der mittelgroße, schlanke Mann mit dem schmalen Kopf war ein Typus des höheren preußischen Offiziers, wie er vollendeter nicht gedacht werden konnte. Alles an ihm war geformt und bis ins Letzte beherrscht, so daß er wieder vollkommene Natürlichkeit geworden war.
Jede Spannung des Absichtlichen war überwunden. Sein schmales, völlig ausgearbeitetes, wesentlich auf Profil gestelltes Gesicht war bis in die feinste Regung seinem bewußten Wesen unterstellt; Geist und Willen waren in einer Einheit aufgegangen, die schon den Zügen des Lebenden etwas von einer großartig durchseelten Plastik gaben.
Das Schönste an diesem Gesicht waren die Augen, kluge, sehr geistige Augen, die zuweilen mit dem Charme einer menschlichen Wärme aufleuchten konnten, wie sie im Bereich seines Berufes sonst nicht eben häufig war.
— Es war ein Genuß seltener Art ihm zuzuhören und zu folgen. Sein Denken war wie er, klar, bestimmt, streng, unbestechlich und zugleich verbindlich, unauffällig, unbetont wie alle seine Lebensäußerungen.
Er sprach ohne jeden Prunk, als ob er voraussetzte, daß der Hörer alles selbst ebenfalls wisse: er verbarg sein Wissen mehr, als daß er es demonstrierte.
Freunde haben ihn eine anima candida genannt; auch für seine geistige Welt galt dieses Beiwort.
Schon weil man ständig das Unabdingbare spürte, das in ihr war; es gab für ihn nur das Gesetz des Echten, und sein Prüfstein war der Mensch, der sich bis zur letzten Möglichkeit vollendet hatte. — Beck war die Zurückhaltung selbst; man mußte in Gesellschaft immer etwas nach ihm suchen, so leise waren Erscheinung und Auftreten. Wenn aber dieser Mann für einen Augenblick sein unbeschreibliches Lächeln aufstrahlen ließ, für Momente mit diesem Lächeln den Partner den Widerschein einer inneren Welt ahnen ließ, die niemand in ihm vermutet hätte, dann gab es wohl keinen, der sich ihm zu entziehen vermochte, und es war begreiflich, daß noch der Alternde junge Menschen zu Verehrung und heller Begeisterung hinriß, zu einem Beglücktsein allein durch die Tatsache, daß in der Welt von 1940 ein Mann wie Ludwig Beck noch möglich war.

. . " Im Herbst 1942, nach einer Trauerfeier für Hans Lietzmann, die mit Bachs letzter Komposition, dem Choral aus der Kunst der Fuge geschlossen hatte, wanderte Beck in Begleitung von Paul Fechter die Linden entlang:„Wir sprachen wenig.
Auf einmal blieb er stehen und fragte: Kannten Sie das Stück, das zuletzt gespielt wurde?" Ich bejahte. Er sah mich eine Weile nachdenklich an: „Das war das Jenseitigste, das ich je gehört habe," sagte er dann halb für sich. "Sehr merkwürdig."
Wir gingen weiter; ich fühlte, wie ihn etwas beschäftigte, und schwieg.
Und auf einmal fuhr er fort, halb für sich, halb zu mir: ,Das sollte man sich merken — für alle Fälle.
Meinen Sie nicht?' Ich nickte und sah von der Seite in sein schmales seltsam ernstes Gesicht mit den wie in die Ferne suchenden Augen und spürte mit einer wunderlichen Erschütterung, wie aus seinen Worten durch den grauen Tag fahl und einsam von weitem der Tod herüber grüßte."




Literatur: Du hast mich heimgesucht bei Nacht
Abschiedsbriefe und Aufzeichnungen des Widerstandes 1933 -1945
Herausgegeben von Helmut Golwitzer, Käthe Kuhn, Reinhold Schneider

 

 

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