BECK
LUDWIG
1880 - 1944
Generaloberst
Daß der gegen das deutsche Offizierskorps gerichtete Vorwurf, es habe
als ein willenloses Instrument dem jeweiligen Machthaber gedient, auf
seine besten Vertreter nicht zutrifft, bewies Ludwig Beck (geboren am
29. Juni 1880 in Biebrich/Rhein), der Generalstabschef des Heeres.
Als der echte Erbe der Tradition Scharnhorsts und Gneisenaus
widersetzte er sich der Abenteuerlust Hitlers und wurde darauf
entlassen. So war er dazu vorbestimmt, der soldatische Führer des
deutschen Widerstands zu werden. Er starb am Tag des mißlungenen
Attentats vom 20. Juli 1944.
- Paul Fechter schreibt über ihn: „Der mittelgroße, schlanke Mann mit
dem schmalen Kopf war ein Typus des höheren preußischen Offiziers, wie
er vollendeter nicht gedacht werden konnte. Alles an ihm war geformt
und bis ins Letzte beherrscht, so daß er wieder vollkommene
Natürlichkeit geworden war.
Jede Spannung des Absichtlichen war überwunden. Sein schmales, völlig
ausgearbeitetes, wesentlich auf Profil gestelltes Gesicht war bis in
die feinste Regung seinem bewußten Wesen unterstellt; Geist und Willen
waren in einer Einheit aufgegangen, die schon den Zügen des Lebenden
etwas von einer großartig durchseelten Plastik gaben.
Das Schönste an diesem Gesicht waren die Augen, kluge, sehr geistige
Augen, die zuweilen mit dem Charme einer menschlichen Wärme
aufleuchten konnten, wie sie im Bereich seines Berufes sonst nicht
eben häufig war.
— Es war ein Genuß seltener Art ihm zuzuhören und zu folgen. Sein
Denken war wie er, klar, bestimmt, streng, unbestechlich und zugleich
verbindlich, unauffällig, unbetont wie alle seine Lebensäußerungen.
Er sprach ohne jeden Prunk, als ob er voraussetzte, daß der Hörer
alles selbst ebenfalls wisse: er verbarg sein Wissen mehr, als daß er
es demonstrierte.
Freunde haben ihn eine anima candida genannt; auch für seine geistige
Welt galt dieses Beiwort.
Schon weil man ständig das Unabdingbare spürte, das in ihr war; es gab
für ihn nur das Gesetz des Echten, und sein Prüfstein war der Mensch,
der sich bis zur letzten Möglichkeit vollendet hatte. — Beck war die
Zurückhaltung selbst; man mußte in Gesellschaft immer etwas nach ihm
suchen, so leise waren Erscheinung und Auftreten. Wenn aber dieser
Mann für einen Augenblick sein unbeschreibliches Lächeln aufstrahlen
ließ, für Momente mit diesem Lächeln den Partner den Widerschein einer
inneren Welt ahnen ließ, die niemand in ihm vermutet hätte, dann gab
es wohl keinen, der sich ihm zu entziehen vermochte, und es war
begreiflich, daß noch der Alternde junge Menschen zu Verehrung und
heller Begeisterung hinriß, zu einem Beglücktsein allein durch die
Tatsache, daß in der Welt von 1940 ein Mann wie Ludwig Beck noch
möglich war.
. . " Im Herbst 1942, nach einer Trauerfeier für Hans Lietzmann, die
mit Bachs letzter Komposition, dem Choral aus der Kunst der Fuge
geschlossen hatte, wanderte Beck in Begleitung von Paul Fechter die
Linden entlang:„Wir sprachen wenig.
Auf einmal blieb er stehen und fragte: Kannten Sie das Stück, das
zuletzt gespielt wurde?" Ich bejahte. Er sah mich eine Weile
nachdenklich an: „Das war das Jenseitigste, das ich je gehört habe,"
sagte er dann halb für sich. "Sehr merkwürdig."
Wir gingen weiter; ich fühlte, wie ihn etwas beschäftigte, und
schwieg.
Und auf einmal fuhr er fort, halb für sich, halb zu mir: ,Das sollte
man sich merken — für alle Fälle.
Meinen Sie nicht?' Ich nickte und sah von der Seite in sein schmales
seltsam ernstes Gesicht mit den wie in die Ferne suchenden Augen und
spürte mit einer wunderlichen Erschütterung, wie aus seinen Worten
durch den grauen Tag fahl und einsam von weitem der Tod herüber
grüßte."
Literatur: Du
hast mich heimgesucht bei Nacht
Abschiedsbriefe und Aufzeichnungen des Widerstandes 1933 -1945
Herausgegeben von Helmut Golwitzer, Käthe Kuhn, Reinhold Schneider