AUCH
EINER; DER NICHT HEIMKEHRTE
Briefe an die Frau
Vorwort
Das Schicksal, das aus diesen Feldpostbriefen spricht, ist, obgleich
vielleicht nicht einzigartig in dem weiten Rahmen ungeheuren
Geschehens, den der Weltkrieg spannte, so doch einzigartig, in
seiner Tragik. Denn diese Briefe eines jungen Menschen an die Frau,
die er liebt, geben Kunde von einer Liebe, die, schon an sich
gezwungen, gegen äußere Widerstände zu kämpfen, durch die Trennung,
die der Krieg bringt, unter besonders tragische Spannungen gerät.
Sie spiegeln die tapfere Art wieder, in der der junge Offizier neben
allem Schweren des Kriegserlebens auch das private Schicksal
meistert und der um ihn bangenden Frau immer wieder einen
schützenden Halt bietet, bis im letzten Jahre des Feldzugs ein
kurzes Eheglück für wenige Urlaubswochen vereinigt.
Mögen diese Zeugnisse tapferen, verantwortungsvollen auf dem Posten
Stehens von einem, der über den Friedensschluß hinaus in Feindesland
aushielt und doch nicht zurückkehren durfte und sein Kind nie
gesehen hat, zugleich allen denen ein Denkmal setzen, die gleich ihm
ausgeharrt haben und ihre Pflicht getan haben bis zuletzt.
GEDICHT
Und über uns wiegt einer Birke grün
Sich lenzverträumt im Frühlingsabendwinde,
leuchtend umspinnt das Licht die seidene Rinde,
Und durch der Zweige zierliche Gewinde
Seh’n goldene Wolken wir vorüberzieh’n,
Und haben uns so lieb. Auf deinen Knie’n
Ruhet mein Haupt. Und deine Hand fährt linde
Und zärtlich mir durch’s Haar. O sag’, wo finde
Ich wohl ein Glück dem gleich, und lächelnd binde
Ich Reim am Reim zum Frühlingsangebinde
Für Dich, und wehr’ dem Augenblick zu flieh’n.
BRIEF I
14.08. 14.
Du Liebste! Diesen Brief soll man Dir schicken, wenn ich tot bin.
Mit ihm meine beiden Ringe. –
Was soll ich in ihm schreiben? Wollte ich all’ das zu Papier
bringen, was das Herz, mir voll und glücklich, schwer und leicht
freudig und traurig macht, ich werde nicht fertig werden, hätte ich
auch all’ die Zeit, die wir uns nun kennen und lieb haben noch
einmal.
Du weißt ja Alles und hast es viele Mal und doch noch nicht oft
genug in meinen Briefen und wirst es da immer und immer wieder
nachlesen. -
Darum nur das Eine, meine letzte heiligste Bitte, Du mögest Dir kein
Leid antun im Schmerze um mich; denn dann würdest Du unsere Liebe
Köstlichstes genommen haben. Wie ich das genauer bezeichnen soll,
weiß ich nicht, wie man Manches nicht sagen kann, das im Gefühl fest
steht.
So leb’ denn wohl. Ich glaube, ich werde immer bei Dir sein…..
Im Nachlass gefunden
BRIEF II
9.12.18.
Liebe, liebe Liebste! Liebste Frau! Du, Du! Da hast Du mir einen
jungen geschenkt, wie soll ich Dir danken! Nun hast Du zwei, einen
großen, der ja manchmal nicht bei Dir sein kann und eigene Wege
gehen muß, und einen kleinen, der für lange, lange Zeit ganz Dir
gehört, ganz Dir. Wie freue ich mich für Dich! Und einen Buben
hattest Du Dir doch gewünscht. Auch das ist in Erfüllung gegangen.
Nun muß ich noch kommen. Wenn Du dieses liest, wird es nicht mehr
lange dauern.
Wir sind im Abrüsten und erwarten den Befehl zur Abfahrt. Die
Demobilisierung wird dann noch einige zeit beanspruchen, und es ist
schmerzlich, dass wir da noch getrennt sein werden. Aber wir müssen
uns damit trösten, dass es bis zum gewissen Wiedersehen und
Wiederhaben nur noch eine kurze Spanne ist.
Und dann unser Leben. Unser Leben!
Unter wie anderen äußeren Umständen hofften hofften wir es zu
beginnen; und doch, sie werden, können nichts daran ändern. Das zu
wissen, ist ein unsäglich beglückendes Gefühl. Wie anders mag es
manchem ums Herz sein, wo Beziehungen nicht das ungreifbar,
unzerstörbar Innerste verbinden, wie sie es bei uns tun. Es kann
kommen wie es will, Du bist mein, ich bin Dein und darin beruht all
unser Glück. Meine Frau, meine liebste Frau Du! - Mit Weihnachten
wird nun nichts. Ein Geschenk von mir ist „das Bild“, das man
geschickt haben wird.
Du wirst Dich über die Landschaft freuen, wie ich es getan habe. So
habe ich die Ukraine kennen gelernt, so verlasse ich sie wieder. Was
ich in ihr erlebt, ist mir nicht verloren, es ist die Zeit in der
ich Bettr.- Früher gewesen in der ich inmitten meiner Leute eine
Stellung eingenommen habe, auf die ich stolz bin, da sie auch jetzt
noch in der Brandung allgemeiner Zügellosigkeit standgehalten hat.
Sie würde es nicht immer. Niemand kann dem sich umwälzendem Rade
Einhalt tun, und ich bin der letzte, der seine Hand zu dem Versuche
erheben würde, aber man kann dafür sorgen, daß es ohne Stocken und
Stürzen dahinbegleitet, und das ist erreicht.
Ein Denkmal will ich dieser Kriegszeit noch setzten und Du darfst es
mir nicht wehren: Paten bei meinen Jungen sind mein Leutnants,
weiter möchte ich niemanden, und Du wirst mich verstehen. Ein
Kameradschaftliches Bund soll fest geschlungen werden, und er soll
die Erinnerung einer großen Zeit an sich tragen, die in seinem Leben
sich erneuern möge. Sie wird nicht im Geiste der Macht, aber im
Geiste der Freiheit. Ich bin schon nicht mehr jung, zum ersten Male
fühle ich das in meinem Leben, habe das gefühlt, ehe die Nachricht
seiner Geburt mich heute durch Funkspruch erreichte: das große Glück
für mich würde nur sein können, wenn deutsche Soldaten auf
französche Straßen vorwärts marschierten und deutsche Geschütze
französischen Staub auf ihren Siegeswegen umwölkte. Wenn das sein
wird, werde ich weinen vor Glück. Doch das sind Träume, die schwer
sind von alter vergangener Herrlichkeit und darum sage ich, dass ich
mich zum ersten Male in meinem Leben alt fühle.
Ich darf es ja nun, ich bin Vater und kann eine neue Jugend
begrüßen, der die Zukunft gehört. Sie ist zu Gast zu mir gekommen;
als einen solchen sehe ich meinen Jungen an, wie einen lieben Gast
nehme ich ihn auf, weiter gehört er mir nicht, er gehört sich
selbst.
Ihn lieben und ihm helfen, das ist alles. Diesen Brief soll er
einmal bekommen. Hebe ihn für ihn auf, für Deinen Buben. Unsern
Buben. Liebste, Liebste er ist unser, wie unsere Liebe. Bei Dir sein
können, bei
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Auch einer, der nicht heimkehrte Briefe an die Frau Verlag E. S.
Mittler & Sohn 1934
Auf Wunsch der Herausgeberin erscheint das Buch ohne Namensnennung