COLIN MARIANE
1921 - 1944
Marianne Colin wurde, als sie einen Kindertransport nach
der Schweiz begleitete, festgenommen und in Annemasse ins Gefängnis
geworfen.
Das Anerbieten, sie ohne die Kinder freizulassen, lehnte sie ab und fuhr
fort, sich ihrer im Gefängnis fürsorgend zu widmen.
Wenige Tage nach der Befreiung fand man ihre Leiche in einem Beinhaus.
Sie war am 8. Juli 1944 im Alter von 23 Jahren hingerichtet worden.
Ich verrate morgen...
Ich verrate morgen, nicht heut
Heut reißt mir die Nägel aus,
Ich verrate nicht
Ihr wißt nicht, wo mein Mut aufhört. Ich weiß es.
Ihr seid fünf, harte Hände mit Ringen. Und an den Füßen habt ihr Stiefel
Mit Nägeln.
Ich verrate morgen, nicht heut,
Morgen.
Ich brauche die Nacht, um mich zu entschließen.
Ich brauche nicht weniger als eine Nacht,
Um zu verleugnen, um abzuschwören, um zu verraten
Um meine Freunde zu verleugnen,
Um dem Brot und dem Wein abzuschwören,
Um das Leben zu verraten,
Um zu sterben.
Ich verrate morgen, nicht heut.
Die Feile ist unter der Fliese. Die Feile ist nicht für das Gitter.
Die Feile ist nicht für den Henker. Die Feile ist für meinen Puls.
Heut hab ich nichts zu sagen.
Ich verrate morgen.
Literatur: Du
hast mich heimgesucht bei Nacht
Abschiedsbriefe und Aufzeichnungen des Widerstandes 1933 -1945
Herausgegeben von Helmut Golwitzer, Käthe
Kuhn, Reinhold Schneid