BRIEFE BERÜHMTER MENSCHEN

 

 

Der letzte Brief

BRIEFE BERÜHMTER MENSCHEN

 

Der letzte Brief: der königliche aller Briefe.
 Sein Aroma ist köstlich. Was sonst in armseliger
 Verteilung aus Briefen blüht:
Genialität des  Denkens,
Glaubens Liebens
– im letzten Brief
wird er zu einer  Synthese.
Sein  Pathos ist unerhört  - aber sein Ethos
wächst darüber hinaus. Beide – Pathos und Ethos –
werden aufgenommen in die hohe Stimme
einer nie zu  entwirrenden Mystik.  Es ist das Schicksal
der letzten Takte der neunten Symphonie,
die eingehen in die Seligkeit eines metaphysischen Soprans. ....

 
Ilse  Linden
  Der letzte Brief Eine Sammlung letzter Briefe
Herausgegeben von Ilse Linden /Erschienen bei Oesterheld & Co Verlag
Berlin 1919
 
 

 

 

Erika von Brockdorf

1910 - 1943


 


33 Jahre alt • Sozialgehilfin - geboren am 13. Februar 1910 in Pommern. - Im Luftamt beschäftigt - arbeitete zusammen mit ihrem Gatten Cay in der WiderStandsgruppe «Rote Kapelle». Mit dem Gatten, der wieder freigelassen wurde, und allen führenden Mitgliedern der Gruppe Ende August 1942 von der Gestapo in Berlin verhaftet.
- Zwischen dem 15, und 19. September 1942 vom Reichskriegsgericht «Senat II» abgeurteilt und neben Mildred Harnack als einzige nicht zum Tode verurteilt. - Nach Wiederaufnahme des Prozesses auf Befehl Hitlers wurde sie am 13. Mai 1943 zusammen mit Walter Husernann und sieben anderen Patrioten in Berlin - Plötzensee enthauptet.

Mein Cay!


Wie magst Du in diesen Tagen um mich gebangt haben. Ich habe wohl mehr an Dich gedacht, als an mich. Ich weiss, dass, - wenn Du zehn Leben hättest, Du sie alle für mich hingeben würdest. Aber hier kann mir ja nun wirklich niemand helfen. Diesen Weg müssen wir alle allein gehen.

Noch mein letzter Atemzug wird ein Dank an das Schicksal sein, dass ich Dich lieben und mit Dir sieben Jahre leben durfte. Ich hätte Dich so gerne noch einmal gesehen, aber da ich keinerlei Vergünstigungen haben soll, bin ich stolz, eine vergebliche Bitte zu tun, ebenso, wie ich auch kein Gnadengesuch geschrieben habe, weil mein Tod jaeine beschlossene Sache ist.
Ich halte mit Dir Zwiesprache, mein Liebes. Eben habe ich mir von Dir ein Versprechen geben lassen, dass Du nicht lange traurig sein wirst, denn Du würdest mir die Ruhe für die letzten Tage rauben, die ich doch brauche, wenn ich durch das dunkle Tor gehe.

Niemand soll sagen können von mir, ohne zu lügen, ich hätte geweint und am Leben gehangen und darum gezittert. Lachend will ich mein Leben beschliessen, so wie ich das Leben lachend am meisten liebte und noch liebe.

Mein lieber Cay, nun will ich mich von Dir verabschieden. In dieser Not blieb uns kein Freund als Mut und schneller Tod. Sei mir zum letzten Mal gegrüsst, mein Liebes. Was ich Dir schon einmal sagen konnte, muss ich Dir auch in dieser Stunde sagen: Mein leben war ohne Dich nichts, es hat durch Dich erst Sinn und Inhalt bekommen. Das bewährt sich jetzt. Denke ab und zu an mich, aber sei nicht traurig.
Ich bin gefasst und sehr ruhig. Es tröstet mich die Einsicht in die Notwendigkeit.
Alles Gute für Dich, für Deine Zukunft.

Deine Erika


Literatur
Und die Flamme soll euch nicht versengen/ 1955 Steinberg Verlag Zürich 1955
 

 

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