DELBRÜCK JUSTUS
1902 - 1944
Regierungsrat a. D., Fabrikant. - Geboren am 25. November 1902 zu
Charlottenburg, am 3. August 1944 wegen
Beteiligung an der Verschwörung des 20. Juli verhaftet, von den Russen
befreit, wieder verhaftet und in russischer
Gefangenschaft gestorben.
Aufzeichnungen aus dem Gefängnis
In den Tiefen, die kein Trost erreicht,
Laß doch Deine Treue mich erreichen,
In den Nächten, wo der Glaube weicht,
Laß nicht Deine Gnade von mir weichen,
Auf dem Weg, den keiner mit mir geht,
Wenn zum Beten die Gedanken schwinden,
Wenn mich kalt die Finsternis umweht,
Wollest Du in meiner Not mich finden.
Wenn die Seele wie ein irres Licht Flackert
zwischen Werden und Vergehen,
Wollest Du an meiner Seite stehen.
Wenn ich Deine Hand nicht fassen kann,
Nimm die meine Du in Deine Hände,
Nimm Dich meiner Seele gnädig an.
Führe mich zu einem guten Ende.
Getrost, das Leben schreitet Zum ewigen Leben hin,
Von innrer Glut geweitet Verklärt sich unser Sinn.
Die Lieb ist frei gegeben
Und keine Trennung mehr.
Es wogt das volle Leben
Wie ein unendlich Meer
Nur eine Nacht der Wonne,
Ein ewiges Gedicht
Und unser aller Sonne
Ist Gottes Angesicht.
Ich sah Dich, Ellen, so allein - ich hörte Deine Klage über die Heimat,
die Gott Dir genommen und die ich Dir nicht habe geben können — ich hörte
Dich weinen in der dunklen Nacht - ich hörte Dich rufen, Justus, warum
hast Du mich verlassen?
Du weißt doch, ich kann nicht allein - ach, und ich sah Deine bittere
Verzweiflung und ich hörte Dich unser Leben, unser Glück, unsere Liebe
verwünschen.
Und mit Entsetzen sah ich meine Schuld - ich sah mich stumm, da ich hätte
sprechen sollen, ich sah mich schlafen, da Du weintest, ach, und mein Herz
war stumm, da ich hätte mit Dir beten sollen.
Nun straft mich Gott und ich weine und Du hörst mich nicht. -
Und ich bete: Lieber Vater, wenn es Dein Wille ist, mich von ihr zu
nehmen, so schicke ihr Menschen, die ihr helfen um Christi willen, daß sie
Dein Licht schaue - denn sieh, lieber Vater, ach, Du weißt es, sie sucht
Dich, sie sucht Dich, sie kann Dich nicht finden in der Kälte und
Dunkelheit der Welt, ach, und laß sie wissen, lieber Vater, daß auch
unsere Liebe bei Dir aufgehoben ist, daß unsere Seelen vor Dir vereint
sind und daß keine Wonne auf Erden hier gleicht der Wonne, die unser bei
Dir wartet.
Wenn es aber Dein Wille ist, lieber Vater, mich wieder zu ihr
zurückzuführen, so laß meine Seele erschüttert sein, daß sie nicht
vergesse, Dir zu danken für jeden Tag, den Du mir schenkst, laß die
Anschauung des Todes wie einen Sturmwind das Feuer der Liebe anfachen, laß
mich wissen, daß meine Liebe Deine Liebe ist. -
Ellen, meine Ellen, weißt Du noch, wie Du einmal sagtest, Du wollest meine
Liebe spüren wie einen glühenden Schmerz?
Ach, nun brenne ich - nun brenne unsere Liebe als eine ewige Flamme vor
dem Angesicht Gottes.
Literatur: Du hast
mich heimgesucht bei Nacht
Abschiedsbriefe und Aufzeichnungen des Widerstandes 1933 -1945
Herausgegeben von Helmut Golwitzer, Käthe Kuhn, Reinhold Schneider
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