BRIEFE BERÜHMTER MENSCHEN

 

 

Der letzte Brief

BRIEFE BERÜHMTER MENSCHEN

 

Der letzte Brief: der königliche aller Briefe.
 Sein Aroma ist köstlich. Was sonst in armseliger
 Verteilung aus Briefen blüht:
Genialität des  Denkens,
Glaubens Liebens
– im letzten Brief
wird er zu einer  Synthese.
Sein  Pathos ist unerhört  - aber sein Ethos
wächst darüber hinaus. Beide – Pathos und Ethos –
werden aufgenommen in die hohe Stimme
einer nie zu  entwirrenden Mystik.  Es ist das Schicksal
der letzten Takte der neunten Symphonie,
die eingehen in die Seligkeit eines metaphysischen Soprans. ....

 
Ilse  Linden
  Der letzte Brief Eine Sammlung letzter Briefe
Herausgegeben von Ilse Linden /Erschienen bei Oesterheld & Co Verlag
Berlin 1919
 
 

 



HEINRICH GRAF ZU D O H NA - S C H L O B I T T E N

1882 - 1944
 



Kampfe für das Recht bis zum Tod! Gott der Herr wird für
dich streiten!
Sirach 4, 28




Landwirt, Generalmajor a. D.

Graf zu Dohna, geboren am 15. Oktober 1882 zu Waldburg bei Königsberg, brachte in seinem Wesen und Dasein zu reiner Erfüllung, wozu Herkunft und Erziehung ihn bestimmten. Als Edelmann und vor allem als Christ erkannte er früh die tödliche Gefahr, die das nationalsozialistische Regime für Deutschland und die Welt bedeutete. So gab er seinem ältesten, später gefallenen Sohn bei dessen Einsegnung am 31. März 1935 die folgenden Worte auf den Weg: Eltern sehen an einem solchen Tage voller Hoffnung auf den Lebenspfad, den ihr Kind schreiten soll. Voller Hoffnung, aber auch voller Sorge. Besonders in der heutigen Zeit, in der dem Christen Widerstände erwachsen, mehr denn je. — Unsere christliche Kirche steht im schwersten Kampf, und dieser Kampf greift in das Leben auch des Einzelnen, ja auch ganz besonders in das Leben der Jugend. Viele Kinder und Jugendliche, die heute selbst noch ohne Urteil sind, werden hinübergezogen in das Neuheidentum. Da heißt es dann: das Christentum sei undeutsch, es mache untüchtig zum Kampf, es verweichliche. Blut und Rasse stünden höher. So schafft sich der Mensch Gott nach seinem Willen. Nun, auch wir wollen Blut und Rasse nicht gering schätzen, zumal wir uns als urwüchsiger, echter Zweig an unserem deutschen Stamm fühlen, aber als Religion müssen wir beides ablehnen. Über beiden steht ein Schöpferwille, der sie schuf und den Völkern zu eigen gab ...
Der Kampf für den Glauben ist Tradition in unserer Familie. Mag nun Gott dich rüsten, daß auch Du ein Streiter wirst. Heute ist auch die Jugend zum Kampf gerufen. Damit auch Du bald aus eigener Überzeugung sagen kannst: Es ist nicht wahr, daß das Christentum verweichlicht und untüchtig macht, sondern der Glaube an meinen Gott ist eine Kraft, wie diese Welt sie nicht geben kann und nicht kennt. Von dieser Kraft magst Du Dich leiten lassen und Dir davon im täglichen Gebet nehmen, soviel Du immer brauchst, um im Glauben zu stehen und diesen Kampf zu führen „Männlich und stark!" Als die bedrängte Schar der Bekenntnispfarrer und - theologen seiner Heimatprovinz eines Helfers bedurften, wandten sie sich an Graf Dohna. Er versagte sich nicht, trat dem Provinzialbruderrat der Bekennenden Kirche bei und wurde zu einem Pfeiler des kirchlichen Widerstands in Ostpreußen. Bereit zum äußersten Einsatz schloß er sich den Männern des 20. Juli an und wurde von seinen Mitverschworenen zum Oberpräsidenten von Ostpreußen ausersehen. Am 14. September 1944 starb er als Opfer der dem Befreiungsversuch folgenden Justizmorde.




Aus dem Abschiedsbrief an seine Frau

Berlin, 14. September 1944

Dies ist mein Abschiedsbrief. Wie maßlos schwer Abschied zu nehmen fürs Leben, ohne sich noch einmal gesehen zu haben, ohne Umarmung, ohne einen letzten Kuß! — Aber Gott hat es so gefügt, ich folge Ihm. Er hat mich in dieser ganzen Zeit geführt. Ich habe bisher nicht eine schwache Minute gehabt, hoffentlich bleibe ich fest bis zuletzt. Eure Gebete und besonders Deine, meine liebste . . ., habe ich immer gespürt. Nun mußt auch Du stark bleiben, trotz allem Schmerz. Es ist für Dich und die Kinder und Tolksdorf nötig. - Diesen Brief gebe ich offen ab. Über meine Strafsache darf ich nichts schreiben.
So schließe ich Dich also im Geist in meine Arme und bitte Gott, daß er bei Dir sei. Auf ein Wiedersehen dort oben, meine heißgeliebte, gute, treue ... Mir sind in diesen Tagen immer wieder Ratschläge usw. durch den Kopf gegangen, aber es lohnt sich nicht, sie zu schreiben. ... Ich bin in einer fast starren Haltung, die, wie ich fürchte, auch diesem Brief zu sehr anhaftet. Aber wenn ich alles sagen würde, was mich an Gefühlen beherrscht, so würde mich das umwerfen. Ich bat in dieser schweren Zeit immer Christus, mich bei der Hand zu halten, Er tat es und hielt mich stark.

 


Literatur: Du hast mich heimgesucht bei Nacht
Abschiedsbriefe und Aufzeichnungen des Widerstandes 1933 -1945
Herausgegeben von Helmut Golwitzer, Käthe Kuhn, Reinhold Schneider



 

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