MAX-ULRICH GRAF VON DRECHSEL
Hauptmann
1911 - 1944
Geboren am 3. Oktober 1911 in Schloß Karlstein/Oberpfalz.
Hingerichtet am 4. September 1944 in Plötzensee im Zusammenhang mit den
Ereignissen des 20. Juli 1944.
" Er war geliebt von Gott und den Menschen; sein Andenken bleibt
gesegnet."
Berlin, den 3. September 1944
Liebe Eltern!
Heute kann ich Euch nochmal schreiben; am 16. 8. habe ich Euch schon von
hier aus geschrieben; eine Antwort oder Besuch von Euch habe ich nicht
erhalten, weiß aber, daß beides erfolgt wäre, wenn Ihr die Möglichkeit
gehabt hättet. Liebe Eltern, in Gedanken und im Gebet waren wir diese
letzten drei Wochen unendlich oft vereinigt; denn so oft meine Gedanken zu
Euch, den geliebten Geschwistern und dem guten Karlstein gingen, war ich
mir bewußt, daß wir uns auf dieser geistigen Verbindungslinie begegnet
sind. Morgen findet meine Verhandlung statt; ich sehe dem Tod ruhig und
gefaßt entgegen.
Eine große Gnade war es für mich, diese lange Vorbereitungszeit von drei
Wochen zu haben, während der ich im Gebet viel Trost, Stärkung und
Erleuchtung erfahren habe. Der liebe Gott hat mir oft wunderbar geholfen.
Ich bin Ihm viel näher gekommen, und Er hat mir namentlich die Gnade
geschenkt, Ihn recht von Herzen lieben zu lernen
... Ich habe ja ein so schönes Leben gehabt! In erster Linie verdanke ich
das Euch, Ihr lieben Eltern! Vom Anfang bis zum Ende meines Lebens wart
Ihr, unser Heim Karlstein der Dreh- und Angelpunkt meiner ganzen Gedanken;
nirgends habe ich mich so wohl gefühlt wie dort; wie schön noch zum
Abschluß der letzte Urlaub! Dieser heißen Heimatliebe ist im Ursprung auch
meine Tat entsprungen, wenn sie auch in Ausführung und Folgen ganz andere
Wege ging...
Heute, Sonntag, hat es ein gutes Essen gegeben; da bin ich ganz guter
Laune und möchte „Schwarze Katze" spielen; überhaupt dürft Ihr nicht
glauben, daß ich meinen Humor verloren habe. Wie gesagt, ich habe es im
Leben schön gehabt, jetzt freue ich mich auf den Himmel; ich habe das
feste Gottvertrauen, daß ich hineinkomme. Hoffentlich dauert das Fegefeuer
nicht zu lange; Ihr werdet mir schon helfen! Wen wird man da alles
wiedersehen!
.... Aber man weiß ja gar nicht, wie alles werden wird; aber sicher sehr,
sehr schön. Oft habe ich schon solche Sehnsucht danach und freue mich
wirklich darauf! Ich bin überall so vielen lieben, netten, aufmerksamen
Menschen auf meinem Lebensweg begegnet und so viele Freundschaften auf
allen Etappen meines Erdenlebens gehabt. Allen Dank und Erinnerung!
Besonders schön war als letzte Lektüre Walter Flex, Der Wanderer zwischen
zwei Welten. Ein schöner Gedanke daraus: „Klagt nicht, daß ich allein,
freudlos gestorben bin.
Ich bin bei dir, so spricht der Herr, daß Ich dir helfe." Und „Was ihr
Lebenden Sterben nennt, das nennen wir Tote Geborenwerden". Zuletzt noch
ein einfacher Vers, der mir in Gedanken an die Kapelle zu Hause
eingefallen ist:
Heilige Muttergottes von Karlstein,
Wollest stets unsere Beschirmerin sein,
Beschütze Eltern, Geschwister, Heimat mein,
Führ mich zu Dir in den Himmel hinein,
Will für und für Dein Kind sein.
Amen.
Nun flehe ich noch um die Gnade, einen Priester und die Sterbesakramente
zu bekommen. Wenn nicht, so weiß ich als Katholik ja, was ich zu tun habe
und habe es auch schon wiederholt getan. Seid nicht traurig; auf
Wiedersehen im Himmel!
In heißer Liebe umfängt Euch
Euer dankbarer Maxi
4. September 1944
Liebe Eltern! Das Urteil ist gesprochen, nur kurze Zeit trennt mich noch
von der Vollstreckung.
Seid nicht traurig, wenn Ihr an mich denkt, sondern fröhlich.
Fröhlich sollt Ihr mit den Menschen und mit meinen Freunden über mich
sprechen, dann werde auch ich gern, gern geistig bei Euch sein, der ich im
Leben stets froh war.
Ach, ich vergesse schon auf alles Irdische und sehe schon Gott vor mir,
wie er liebreich die Arme ausbreitet, um mich aufzunehmen. Er hat mir die
Gnade der vollkommenen Reue gegeben; voll Vertrauen zu Ihm, dem allgütigen
Richter, trete ich nun den Weg an.
Möge Er Euch allezeit beschirmen und Euch Euer wahrhaft christliches
Leben, mit dem Ihr Euern Kindern das Wichtigste und Schönste fürs Leben
als Vorbilder vorgelebt habt, auf Erden und im Himmel vergelten. Es sei
Euch ein friedlicher Lebensabend beschieden, ein gutes Sterben und dann
die ewige Glückseligkeit. Dort werden wir uns dann nach Gottes Willen
wiedersehen. Nun betet noch für meine arme Seele, verzeiht mir den Kummer
und die vielen Sorgen, die ich Euch bereitet habe.
Grüßt nochmals Alles, die heißgeliebte Heimat;
seid innigst umarmt von Eurem dankbarsten Sohne Maxi
Literatur: Du hast mich heimgesucht bei Nacht
Abschiedsbriefe und Aufzeichnungen des Widerstandes 1933 -1945
Herausgegeben von Helmut Golwitzer, Käthe Kuhn, Reinhold Schneider
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