Priester
Dr. Heinrich Feurstein, geboren 1876, wirkte 36 Jahre hindurch als Pfarrer
in Donaueschingen, ein sich ganz seinem Beruf hingebender Priester und ein
Wohltäter für die Armen seiner Gemeinde. Als der Nationalsozialismus seine
Herrschaft in Deutschland aufrichtete, legte Feuerstein furchtlos , in
Treue gegenüber seinen priesterlichen Pflichten und seinem Gewissen,
Zeugnis für die christliche Wahrheit gegen ihre mächtigen Verderber ab.
Er wußte, daß er damit sein Leben zum Opfer darbrachte. Seine Predigten
erweckten das Mißfallen der Behörden. Nachdem er in seiner Neujahrspredigt
des Jahres 1942 kühne Worte gegen das Widerchristentum gesprochen hatte,
wurde er seiner Erwartung gemäß verhaftet. Am 31. Juli 1942 erlag sein
durch Krankheit geschwächter Körper den Grausamkeiten der Haft im KZ in
Dachau. In seinem Tode verwirklichte er die ahnungsvollen Worte seiner
Predigt vom Seelensonntag 1941: „Der Tod ist nur scheinbar ein Verlust, in
Wirklichkeit ein Gewinn, weil im Tode die hemmenden Schranken des
Fleisches fallen und die Seele ungehindert hineinflammt in jenes andere
Leben am Herzen Gottes, dessen kein Ende ist. Der Tod ist daher höchster
Gewinn. So gesehen, verblassen alle Schrecken des Todes, und das Rätsel
des Sterbens ist gelöst: der Tod ist nicht mehr Grausamkeit der Natur,
sondern eine der ganz großen Erbarmungen Gottes — Hingang zum Vater."
Predigt vom Stefanstag 1941
Der heilige Stephanus!
Selten, daß uns ein Heiliger der kirchlichen Frühzeit so an die Seele
greift wie diese liebenswürdige Gestalt.
Er war Märtyrer, Blutzeuge für seinen heiligen Glauben. Der erste
Märtyrer, die erste reife Frucht am Baum der jungen Kirche. Wir müssen uns
über die Größe des Märtyrers klar sein; das Martyrium ist etwas Großes als
freiwillige Tat.
Mancher Kranke leidet vielleicht mehr als ein Märtyrer litt, aber die
Krankheit kommt über ihn als Verhängnis, ohne seinen Willen, und er hat
Stunden, wo er sein Joch abschütteln möchte. Andere tragen schwer unter
der Last ihres Berufes, an Vermögensverlusten, an den Folgen des Krieges,
an dem Verlust lieber Menschen.
Das ist Schicksal, Verhängnis, höhere Fügung, der man sich nicht entziehen
kann. Aber der Märtyrer konnte anders: Er geht mit freier Entscheidung in
den harten Tod, er weiß, daß seine Predigt, seine Lehre, sein Verhalten,
sein offenes Bekenntnis zu Christus ihm das Leben kostet, und trotzdem
setzt er die Tat, in vollem Bewußtsein der Tragweite seines Handelns.
Gewiß nicht ohne Bangen, ohne den Reiz der Welt zu verspüren, ohne die
Versuchung, irgendwie sein Leben zu retten. Aber er ringt sich durch, und
während rechts und links die Feigen sich ducken und fallen, bleibt er fest
wie ein Fels. Er gehört zu den Gesiebten, die die Probe des Satans
aushalten.
Märtyrer sein, heißt sich selbst in den Glutofen des Leidens stürzen, den
Sturm kommen fühlen und ihn über sich ergehen lassen, als Ruf der Pflicht,
um Christi willen und zur Ehre seiner heiligen Kirche.
Und noch ein Zweites. Das Martyrium ist uns groß, weil es ein öffentlich
schmachvolles Sterben ist, begleitet von dem wilden Triumph eines
gehässigen Pöbels. Wenn wir Schmerzen haben, können wir sie friedlich zu
Hause austragen, gehegt und gepflegt von liebenden Menschen, und wenn es
zum Sterben kommt, wird irgend ein guter Mensch uns die Augen zudrücken.
Anders der Märtyrer. Er stirbt als Gegenstand des Hasses, er verfällt der
allgemeinen Verachtung. Während selbst der Verbrecher manchmal Mitleid
erntet, ist sein Ende verflucht. Aber das alles dauert nur einen
Augenblick: in der kurzen Spanne seines heiligen Todes besitzt er die
Krone des Lebens, und nach kurzen Jahren und Jahrzehnten, wenn der
Allmächtige die Verfolger mit dem Hauche seines Mundes getötet hat,
beginnt sein Nachruhm auf ewige Zeiten, indes die Feigen, die ihre Seele
verkauften, der Vergessenheit anheim fallen.
Die langen Friedensjahre haben bei uns die Meinung hochkommen lassen, als
ob der Märtyrer der Vergangenheit angehört.
Nichts ist falscher als das. Das Martyrium als Bekenntnis, als
gefahrvolles Bekenntnis, ist mit jeder gesunden Entwicklungsspanne unserer
heiligen Kirche naturnotwendig verbunden. Das muß so sein, weil das
Christentum dem Geiste der Welt entgegengesetzt ist, weil sich seine
Auseinandersetzung mit der Welt dauernd in polaren Gegensätzen, in ewigen
Spannungen vollzieht.
Die Zeugenschaft, das Martyrium, das blutige und unblutige, gehört daher
zu den Baugesetzen der Kirche und ist keine Ausnahme sondern die Regel.
Selig die Zeiten, in denen dieser Gegensatz lebendig ist, wo sich die
großen Entscheidungen vollziehen, wo in mutigem Bekenntnis oder in feiger
Verleumdung sich die Geister scheiden, wo die Spreu vom Weizen sich
trennt, und die Kirche als die treue Braut Christi sich darstellt ohne
Makel und Runzel. Auch unsere Zeit ist von dieser Art. Auch wir erleben
eine Wiederkehr des Märtyrertums in blutiger und unblutiger Form.
Wir grüßen sie, alle die Märtyrer unserer Tage, auch die unblutigen Zeugen
ihres heiligen Glaubens, die wegen ihrer heiligen Überzeugung aus ihrer
Stellung verdrängten Priester und Laien, alle die Abgesetzten, die
Strafversetzten, die im Gefängnis und Konzentrationslager schmachtenden
und bekenntnistreuen Laien. Vielleicht schlägt ihnen rascher die Stunde
der Befreiung als es den Anschein hat. Auf alle Fälle werden sie in der
Geschichte unserer Kirche fortleben als Confessores Christi, als Bekenner
Christi.Beten wir heute wieder um den Geist des heiligen Stephanus, daß
wir im Ernstfall als katholische Christen das tun, was die Stunde von uns
verlangt.
Amen.
Literatur: Du hast
mich heimgesucht bei Nacht
Abschiedsbriefe und Aufzeichnungen des Widerstandes 1933 -1945
Herausgegeben von Helmut Golwitzer, Käthe Kuhn, Reinhold Schneider