Priester Clemens August Graf von Galen
(1878 - 1946)
Der katholische
Priester Clemens August Graf von Galen (1878 --1946) war von 1933 bis 1946
Bischof von Münster in Westfalen. Er kritisierte öffentlich die
Kirchen--und menschenfeindliche Politik der Nazis. In seiner Predigt am 3.
August 1941 prangerte Er die Euthanasie als Mord an.
Auszug aus der „Euthanasiepredigt“ von Bischof Clemens-- August
Graf von Galen am 3. August 1941 in Münster
Seit einigen Monaten hören wir Berichte, dass aus Heil und Pflegeanstalten
für Geisteskranke auf Anordnung von Berlin Pfleglinge, die schon länger
krank sind und vielleicht unheilbar erscheinen, zwangsweise abgeführt
werden. Regelmäßig erhalten dann die Angehörigen nach kurzer Zeit die
Mitteilung, der Kranke sei verstorben, die Leiche sei verbrannt, die Asche
könne abgeliefert werden. Allgemein herrscht der an Sicherheit grenzende
Verdacht, dass diese unerwarteten Todesfälle von Geisteskranken nicht von
selbst eintreten, sondern absichtlich herbeigeführt werden, dass man dabei
jener Lehre folgt, die behauptet, man dürfe so genannt lebensunwertes
Leben vernichten, also unschuldige Menschen töten, wenn man meint, ihr
Leben sei für Volk und Staat nichts mehr wert.
Eine furchtbare Lehre, die, die Ermordung Unschuldiger rechtfertigen will,
die gewaltsame Tötung der nicht mehr arbeitsfähigen Invaliden, Krüppel,
unheilbar Kranken, Altersschwachen grundsätzlich freigibt! ... Deutsche
Männer und Frauen!
Noch hat Gesetzeskraft der §211 des Reichsstrafgesetzbuches, der bestimmt:
,«Wer einen Menschen tötet, wird, wenn er die Tötung mit Überlegung
ausgeführt hat, wegen Mordes mit dem Tode bestraft.» Wohl um diejenigen,
die jene armen Menschen, Angehörige unserer Familien, vorsätzlich töten,
vor dieser gesetzlichen Bestrafung zu bewahren, werden die zur Tötung
bestimmten Kranken aus der Heimat abtransportiert in eine entfernte
Anstalt.
Als Todesursache wird dann irgendeine Krankheit angegeben. Da die Leiche
Sofort verbrannt wird, können die Angehörigen und auch die Kriminalpolizei
Hinterher nicht mehr feststellen, ob die Krankheit wirklich vorgelegen hat
und Welche Todesursache vorlag. Es ist mir versichert worden, dass man im
Reichsministerium des Innern und auf der Dienststelle des
Reichsärzteführers Dr. Conti gar keinen Hehl daraus mache, dass
tatsächlich schon eine grosse Zahl von Geisteskranken in Deutschland
vorsätzlich getötet worden ist und in Zukunft getötet werden soll.
...So müssen wir damit rechnen, dass Die armen, wehrlosen Kranken über
kurz oder lang umgebracht werden. Warum? Nicht, weil sie ein todeswürdiges
Verbrechen begangen haben! Nicht etwa, weil sie ihren Wärter oder Pfleger
angegriffen haben ... Nein, nicht aus solchen Gründen müssen jene
unglücklichen Kranken sterben, sondern darum, weil sie nach dem Urteil
irgendeines Amtes, nach dem Gutachten irgendeiner Kommission lebensunwert
geworden sind, ... Arme Menschen, kranke Menschen, unproduktive Menschen
meinetwegen. Aber haben sie damit das Recht auf das Leben verwirkt? Hast
du, habe ich nur solange das Recht zu leben, solange wir produktiv sind,
solange wir von anderen als Produktiv anerkannt werden? Wenn man den
Grundsatz aufstellt und anwendet, dass man den unproduktiven Mitmenschen
töten darf, dann wehe uns allen, wenn wir alt und altersschwach werden!
Wenn man die unproduktiven Mitmenschen töten darf, dann wehe den
Invaliden, die im Produktionsprozess ihre Kraft, ihre gesunden Knochen
eingesetzt, geopfert und eingebüßt haben!
Wenn man die unproduktiven Mitmenschen gewaltsam beseitigen darf, dann
wehe unseren braven Soldaten, die als schwer Kriegsverletzte, als Krüppel,
als Invalide in die Heimat zurückkehren. Wenn einmal zugegeben wird, dass
Menschen das Recht haben, unproduktive Mitmenschen zu töten, ...dann ist
der Mord an uns allen, wenn wir alt und altersschwach und damit
unproduktiv werden, freigegeben. Dann ist keiner von uns seines Lebens
mehr sicher.
Auszug aus der
„Euthanasiepredigt“ von Bischof Clemens - August Graf von Galen am 3.
August 1941 in Münster