BRIEFE BERÜHMTER MENSCHEN

 

 

Der letzte Brief

BRIEFE BERÜHMTER MENSCHEN

 

Der letzte Brief: der königliche aller Briefe.
 Sein Aroma ist köstlich. Was sonst in armseliger
 Verteilung aus Briefen blüht:
Genialität des  Denkens,
Glaubens Liebens
– im letzten Brief
wird er zu einer  Synthese.
Sein  Pathos ist unerhört  - aber sein Ethos
wächst darüber hinaus. Beide – Pathos und Ethos –
werden aufgenommen in die hohe Stimme
einer nie zu  entwirrenden Mystik.  Es ist das Schicksal
der letzten Takte der neunten Symphonie,
die eingehen in die Seligkeit eines metaphysischen Soprans. ....

 
Ilse  Linden
  Der letzte Brief Eine Sammlung letzter Briefe
Herausgegeben von Ilse Linden /Erschienen bei Oesterheld & Co Verlag
Berlin 1919
 
 

 



 

Paul Gesche

1907 - 1944


 



37 Jahre alt. - Tischler - geboren 1907. - Kommunist, 1935 zum ersten Mal verhaftet und für ein Jahr eingekerkert. - Während des Krieges unternahm er mehrere Versuche, mit Widerstandgruppen in Kontakt zu kommen, und trat dann in die Gruppe " Robby"ein, die später Gruppe «Uhrig» umbenannt wurde. - In den ersten Monaten 1942 verhaftet, ins Konzentrationslager Sachsenhausen verbracht und hier bis Februar 1944 festgehalten, als der Prozess gegen den inneren Kreis der Gruppe durchgeführt wurde. - Am 21, August 1944 mit Robert Uhrig und hundert bis hundertfünfundzwanzig Patrioten der Gruppe «Uhrig» im Brandenburger Gefängnis in Berlin hingerichtet.


Lieber Kamerad Willi!


Bitte die schlechte Schrift zu entschuldigen, aber es geht nicht anders. Ich bin gefesselt — ein 5 Minuten vor Zwölf Stehender.
Ich möchte Dich bitten Dich an ein Gespräch zu erinnern, das wir beide einmal führten. Du sagtest, wenn es mir schlecht gehen sollte, konnte ich Deine Hilfe in Anspruch nehmen. Nun ist heute der Zeitpunkt eingetreten.

Heute an dem Tage, an dem die «Vertreter des Volkes» mich zum Tode verurteilt haben, sind meine Gedanken und nur bei Euch allen, die vielleicht noch einmal die Vollendung sehen, dessen, was wir uns erträumt haben, sondern es gehen auch andere Gedanken in mir herum. Kurz — es ist die Sorge um meinen Klaus. Ich bitte Dich nun, wenn es Dir möglich ist, die Erziehung meines Jungen etwas zu unterstützen. Sollten sich besonders gute Anlagen bei ihm finden, so bitte ich Dich, diese fördern zu helfen. Es ist mein letzter Wunsch.

Wenn ich die Gewissheit habe, dass er das später verwirklichen helfen kann, was ich mir als Lebensaufgabe gestellt habe, so will ich mit dem Bewußstsein zum Schafott gehen , zu meinem Teil das getan zu haben, was gut und gerecht war.

In der Hoffnung dessen, dass ich und meine Kameraden die letzten Opfer dieses Systems geworden sind, grüsse ich Dich und die Freunde alle und möchte Euch zurufen:

" Nicht an unseren Gräbern zu weinen seid Ihr da, sondern von unseren Gräbern sollt Ihr den Glauben und die Stärke für das Grosse und Gerechte unserer Sache mit heimtragen für eine bessere und schönere Zukunft."


Dank und Gruss Dir als Letztes.
Paul.





" Und die Flamme soll euch nicht versengen" / 1955 Steinberg Verlag Zürich 1955

 

 


 

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