HANNO GÜNTHER
1921 - 1942
Schüler. - Hanno
Günther ist, wie viele jugendliche Widerstandskämpfer, aus der
Rütli-Schule, die er vor 1933 besuchte, hervorgegangen. Mit ehemaligen
Schulkameraden bildete er eine Widerstandsgruppe, die antifaschistische
Literatur verfaßte und verbreitete. Er wurde am 3. Dezember 1942 im Alter
von 21 Jahren hingerichtet.
Abschiedsbrief an die Mutter
Wenn Du diesen Brief erhältst, lebe ich nicht mehr. Ich hoffe und wünsche
von ganzem Herzen, daß Du diese Nachricht ebenso ruhig und gefaßt
aufnimmst, wie ich heute mittag die Mitteilung von meiner heute abend zu
vollziehenden Hinrichtung entgegennahm. Sei überzeugt, daß ich bis zum
letzten Augenblick mich in der Gewalt haben werde, und ich erwarte fest,
daß auch Du nicht und niemals verzweifeln wirst, was auch kommen mag. Du
schriebst einmal, wir zwei bilden eigentlich eine Einheit, und dies ist
auch mein unverbrüchlicher Glaube. Diese Verbundenheit kann nun auf ewig
nicht mehr getrennt werden. Bei unverdorbenen Völkern herrscht der schöne
Glaube, daß man nach seinem Tode in den Schoß der Mutter zurückkehrt. Dies
habe ich, wenn auch in übertragenem Sinne, zu meinem Glauben gemacht. Denn
sieh, wenn es eine überirdisdie Macht gibt, so sind wir doch alle nur
Ausdrucksformen Gottes. Mit unserem Tode vereinigen wir uns wieder mit dem
Ursprung, der eine früher, der andere später. So sind auch wir von nun ab
wieder unzertrennbar vereint. Wir haben alle hier auf Erden eine Aufgabe
zu erfüllen, und meine Aufgabe ist nun erfüllt. Ich komme zu Dir zurück.
Dir aber wünsche ich, daß Dir noch in einem recht langen Leben viel Gutes
und Schönes beschert werde, daß Du Dir Deinen Lebensmut und Deine
Lebensfreude nie rauben läßt und daß Du dereinst genau so ruhig und
zuversichtlich den unvermeidbaren Gestaltwechsel vollbringst, wie ich ihn
zu vollbringen hoffe.
Herzlichste Grüße an Dich auf immer von
Deinem Hanno
Literatur: Du hast
mich heimgesucht bei Nacht
Abschiedsbriefe und Aufzeichnungen des Widerstandes 1933 -1945
Herausgegeben von Helmut Golwitzer, Käthe Kuhn, Reinhold Schneider