KARL
LUDWIG FREIHERR VON UND ZU GUTTENBERG
1902 - 1945
Gutsherr
Geboren am 22. Mai 1902 in Würzburg; ermordet am 24. April 1945 in Berlin.
Zeugnis des Freundes
Das Bezwingende an Karl Ludwig von Guttenberg waren die Leichtigkeit, der
Zauber der Anmut, mit denen er das ernsteste Spiel führte.
Es war seine eigene, eigenste Sache, ein Gebot seiner Art, seiner
Herkunft: er mußte sich dorthin stellen, wo nur die wenigsten zu stehen
wagten. Aber auch das tat er nicht ohne Selbstironie, so wenig wie er
urteilen, kritisieren, kämpfen konnte ohne diese; er leitete die „Weißen
Blätter", anscheinend ganz als Dilettant, weil sich eben kein besserer
fand, in Wahrheit verhielt es sich so, daß er der beste war.
Er belächelte seine militärische Stelle, seine Uniform und doch vertrat er
das echte, das vom Rittertum noch geprägte Soldatentum.
Hätte er nicht ganz und gar der sein müssen, der er war, er hätte
vielleicht seine Zeit nicht ertragen; so ging er durch sie hindurch,
handelte er gegen sie mit der Selbstverständlichkeit höchster Grundsätze,
die Adel ist. Von allem, was ihn trug, sprach er kaum in Andeutungen; die
Überlieferung, das undurchbrechliche Gesetz der Familie, die Wärme
persönlichen Glücks sah er immer in der Beziehung zum Ganzen, in der
Verantwortung für das Ganze; Geschichte war für ihn Gegenwart, sein
ungekrönter König sein Herr, vor dem die Gewaltigen der Stunde in Schein
zerflossen.
Da er nicht anders denken und handeln konnte, so war er zuversichtlich;
aber er war es nicht ohne die stumme Bereitschaft zum äußersten Opfer; und
er war es auch nicht auf Kosten des Urteils, prüfender Nüchternheit, die
sich über die Gegner, deren Vorteilt und Kräfte über die Konstellation der
Stunde unbarmherzig Rechenschaft gab. Für ihn hatte das Wort noch seine
ursprüngliche Wirklichkeit, die hoch über der Schrift steht.
Wenn er sich den Wahlspruch seiner Familie „Treu und verschwiegen" zur
persönlichen Devise wählte, so bedeutete das mehr, als wir ermessen
können: diese Worte konnten ja nicht anders gesprochen werden als durch
ein Leben, durch Todessicherheit.
Sein Auftrag war: Rittertum; dieses ganz und nicht mehr. Daß dieser
Auftrag die innigste Bande des Herzens rücksichtslos zerschnitt, war das
ihm auferlegte Opfer, es ist sein Vermächtnis und seine Verheißung. Sein
Geschick aber war die Zeit, in der Georg nicht mehr dem leibhaftigen
Drachen begegnet; der Drache ist unkenntlich geworden, eingewühlt im
Schlamm, eingegangen in die Luft; er ist das unwesentliche Wesen und darum
eben mächtiger als der Drache in Gestalt. Aber auch der Ritter hat sich
verwandelt; er führt nicht mehr Lanze und Schwert und der Sieg hat nicht
mehr den Glanz, den er für die Vorfahren hatte; der Sieg ist das Kreuz,
die Ritter sind nicht mehr Wächter am Grabe; sie steigen hinab ins Grab
und seine Schmach, um Den zu bezeugen, der sie rief.
Der Adel führt keine Fahne mehr: er hat das Schicksal des Hohen überhaupt;
er soll Zeichen sein der Wahrheit, der Liebe, deren göttliche Erscheinung
geschändet wurde. An der Stelle, wo der Adel ganz in das Verborgene,
Echte, Unzerbrechliche eingeht, steht Karl Ludwig von Guttenberg; ihm war
die höchst seltene Eigenschaft verliehen, Andere zu verwandeln, zu
verpflichten, auf ihren Weg zu schicken ohne Befehl und ohne sich selber
ernst zu nehmen.
Denn ernst nahm er nur seinen Auftrag. Es ziemt sich nicht, von einem
Schweigsamen viel zu reden. Und was wüßten wir auch von seinen innersten
Kämpfen um den Glauben und die Behauptung der Tradition; was von seiner
Not und Verlassenheit; was von seinem Leiden um die Seinen und um sich
selbst; was von Heiner Angst und seinem Abschiedsblick unter einstürzendem
Himmel auf die Trümmerwelt, die ihm doch als eine freudige Welt
aufgegangen war und am Herzen lag! Und wie könnten wir ahnen, wie tief
sich der Herr herabbeugte in seine Gefangenschaft!
Karl Ludwig von Guttenberg hat in Kindheit und Jugend die Sichtbarkeit der
Tradition noch eben erlebt; ob nun deren letzte Zeichen noch eine kurze
Weile erkennbar bleiben oder morgen untergehen: sie sollten sich alle
senken vor seinem Namen und vor den Namen derer, für die er steht. Adel
ist in gleichem Grade unmöglich und unabdingbar geworden; seine Form ist
das ritterliche Nein an alles, was unritterlich ist; seine Tat das Opfer;
seine Burg seine innerste Gestalt.
Et si omnes ego non.
Reinhold Schneider
An seine Frau
Liebste Therese!
19. Dezember 1944
Zu Weihnachten werden meine treuesten Wünsche bei Euch sein. Ich werde
Euch an diesem Tage, den Du immer zum schönsten des Jahres gemacht hast,
ständig mit meinen Gedanken begleiten. Und da ich weiß, daß Eure Gedanken
auch mich suchen, so werden wir gerade an diesem Hl. Abend besonders eng
verbunden sein. Und daß ich diese Gewißheit haben darf, das danke ich Dir
von ganzem Herzen. Den Anderen sage bitte alles Liebe und Gute ...
Hoffentlich geht es Euch soweit gut, was ich auch von mir, den Umständen
entsprechend, melden kann. Du weißt, wie sehr ich auch an Silvester Euer
gedenken werde, mit treuestem Dank für alles Bisherige und mit den
innigsten Wünschen für die Zukunft. Das neue Jahr birgt soviele
Möglichkeiten, daß man nur darum bitten kann, das einem Auferlegte
anständig tragen zu lernen, ohne je Mut und Zuversicht zu verlieren. Das
gilt für Euch wie für mich. In diesem Sinne eine feste Umarmung und den
Kindern einen Kuß.
Dein alter dankbarer Karl Ludwig
Literatur: Du hast
mich heimgesucht bei Nacht
Abschiedsbriefe und Aufzeichnungen des Widerstandes 1933 -1945
Herausgegeben von Helmut Golwitzer, Käthe Kuhn, Reinhold Schneider