BRIEFE BERÜHMTER MENSCHEN

 

 

Der letzte Brief

BRIEFE BERÜHMTER MENSCHEN

 

Der letzte Brief: der königliche aller Briefe.
 Sein Aroma ist köstlich. Was sonst in armseliger
 Verteilung aus Briefen blüht:
Genialität des  Denkens,
Glaubens Liebens
– im letzten Brief
wird er zu einer  Synthese.
Sein  Pathos ist unerhört  - aber sein Ethos
wächst darüber hinaus. Beide – Pathos und Ethos –
werden aufgenommen in die hohe Stimme
einer nie zu  entwirrenden Mystik.  Es ist das Schicksal
der letzten Takte der neunten Symphonie,
die eingehen in die Seligkeit eines metaphysischen Soprans. ....

 
Ilse  Linden
  Der letzte Brief Eine Sammlung letzter Briefe
Herausgegeben von Ilse Linden /Erschienen bei Oesterheld & Co Verlag
Berlin 1919
 
 

 



Hassell Ulrich von

1881 - 1944


 



Botschafter. - Ulrich von Hassell, geboren am 12. November 1881, lebte und dachte im Geist »der großen Gemeinsamkeit des Christentums und des Abendlandes«. Diese Überzeugungen brachten ihn in Konflikt mit dem herrschenden System: er wurde der führende außenpolitische Denker der deutschen Widerstandsbewegung. Den Zauderern gegenüber drängte er auf Taten: »Es ist unsere Pflicht, den Wagen nicht erst in den Abgrund rasen zu lassen, sondern sich noch vorher auf den Bock zu schwingen, obwohl keine Ehre dabei zu holen und nur noch wenig zu retten ist.« Am 20. Juli 1944 wurde die Tat versucht und mißlang. Am 28. Juli drang die Gestapo in Hassells Büro, wo sie Hassell, der von ihrer Ankunft verständigt worden war, an seinem Schreibtisch sitzend empfing. Am 8. September 1944 wurde er hingerichtet.




Abschiedsbrief an die Gattin, wenige Minuten vor der Hinrichtung geschrieben

Berlin- Plötzensee, Königsdamm 7 den 8. September 1944

Mein geliebtes Ilselein!

Heute vor 30 Jahren habe ich meine französische Kugel bekommen, die ich (im Herzen) bei mir trage. Heute ist auch das Urteil des Volksgerichtshofes gefällt worden.
Wenn es, wie ich annehme, vollstreckt wird, so endet heute das über alle Maßen reiche Glück, das mir durch Dich geschenkt worden ist.

Es war gewiß zu reich, um länger zu dauern!
Ich bin auch in diesem Augenblick vor allem von tiefer Dankbarkeit erfüllt, gegen Gott und gegen Dich.
Du stehst neben mir und gibst mir Ruhe und Stärke. Dieser Gedanke übertönt den heißen Schmerz, Dich und die Kinder zu verlassen.
Gott lasse Deine und meine Seele einst sich wiederfinden.

Aber Du bist im Leben; das ist mein ganzer Trost in allen Sorgen um Euch, auch den materiellen und um die Zukunft der Kinder, daß Du stark und tapfer bist, ein Fels, aber ein lieber, süßer Fels, für die Kinder.
Sei immer so gut und gütig wie Du bist, verhärte Dich nicht.
Gott segne Dich und Deutschland!
im tiefer Liebe und Dankbarkeit küsse ich Dich Dein Ulrich

 


Literatur: Du hast mich heimgesucht bei Nacht
Abschiedsbriefe und Aufzeichnungen des Widerstandes 1933 -1945
Herausgegeben von Helmut Golwitzer, Käthe Kuhn, Reinhold Schneider


 

 

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