JÄGERSTÄTTER FRANZ
1907 - 1943
Am 26. Oktober 2007
wurde Franz Jägerstätter im Linzer Mariendom seliggesprochen.
In seinem vorletzten Brief an seine Frau, den er am 8. August 1943
schreiben konnte, spricht er noch einmal über die Beweggründe seines
Handelns. Da seine Mutter untröstlich war, betont er, dass seine
Entscheidung nicht gegen sie gerichtet sei und er nicht gegen das vierte
Gebot, die Eltern zu ehren, verstoßen wolle:
Liebste Gattin und alle meine Lieben!
[...] Liebste Gattin, im letzten Monat hast du wieder große Opfer für mich
bringen müssen und morgen werden es schon wieder vier Wochen, dass wir uns
wiedersahen. Es hätte euch bis jetzt noch viel Schmerz erspart bleiben
können, wenn euch mein Verteidiger nicht geschrieben hätte, denn ich habe
bis heute noch keine Nachricht erhalten, dass das Urteil bestätigt ist,
musst halt diese Strapazen und schweren Unkosten Gott aufopfern, damit sie
nicht umsonst gewesen sind. Das Wiedersehen brachte
mir zwar Freude, aber nicht der Zweck, dessen ihr so große Opfer auf euch
genommen. Es tat mir schon leid, dass ich so wenig mit dir sprechen
konnte. |...| Ich wollte, ich könnte euch all dieses Leid, dass ihr jetzt
um meinerwegen zu ertragen habt, ersparen.
Aber ihr wisst doch was Christus gesagt hat: „Wer Vater, Mutter, Gattin
und Kinder mehr liebt als mich, ist meiner nicht wert. Wie wehe wird es
Christus getan haben, als er seiner Mutter durch seine Leiden solche
Schmerzen bereiten musste, die mit unseren Leiden gar nicht zu vergleichen
sind.
Und dies alles litt Jesus nur aus Liebe für uns Sünder. Glaubt ihr
vielleicht, euch könnte dann kein Leid mein treffen, wenn ich jetzt durch
eine Lüge mir das Leben noch zu verlängern suchen würde? Wenn ihr das
wirklich glaubt, wie ich nach euren Reden vernehmen konnte, dass ich mich
dadurch gegen das vierte Gebot versündige, dann habt ihr freilich Schweres
durchzumachen. Wie unsre letzte Stunde sein wird, wissen wir nicht, auch
nicht, welche Kämpfe wir dort noch durchzumachen haben, aber dass ich ein
so großes Vertrauen auf Gottes Barmherzigkeit habe, dass mich mein lieber
Heiland auch in der letzten Stunde nicht verlassen wird, der mich bisher
nicht verlassen hat, das könnt ihr mir glauben |... |.
Ich verzeihe euch sowie auch allen anderen von Herzen, wenn auch so
manches Wort nicht gerade wohltut, das einem zu Ohren kommt, was hat man
nicht unsren lieben Heiland alles geheißen? Und unsereins soll von solchen
Worten verschont bleiben. Für mich werden die Verdienste für die Ewigkeit
ja nicht geringer, wenn ich auch von vielen geschmäht werde, die
Hauptsache ist nur, wenn der Herr mich in der Ewigkeit nicht zuschanden
werden lässt. Gott, der Herr, er möge uns alle in der letzten Stunde zu
Hilfe kommen und uns nicht Richter, sondern Erlöser sein.
[...] [Ohne Unterschrift]
Mit gefesselten Händen Kurzporträts und Briefe von Verfolgten des NS
-Regimes
Verlag Neue Stadt München 2017