21. März 1944
Wir sitzen nun schon seit 3 Uhr hier in Dresden am Bahnhof und hören eben,
dass der Zug erst um 10 Uhr heute Abend weitergeht. Morgen Abend werden
wir dann in Auschwitz sein. Die Mitteilungen darüber, wie es dort sein
soll, sind sehr widersprechend. Es kann sein, dass ich erst nach vier oder
sogar nach acht Wochen schreiben darf, seid also bitte nicht in Sorge,
wenn Ihr jetzt länger nichts hören solltet. Und wenn es gar so lange
dauert, dann versucht doch, mir zuerst zu schreiben, vielleicht bekomme
ich's doch. Wir müssen nun abwarten, wie alles wird. Ich werde weiter
tapfer sein und fest die Zähne zusammenbeißen und an Euch denken und
durchhalten, wenn's auch noch so schwer sein wird. [...] Tante Rita klagte
mir auch, dass sie es so schwer habe mit Euch. Um Eures Vati willen seid
lieb und folgsam, es geht dann alles leichter. In den letzten Tagen habe
ich die Familien beneidet, die alle zusammen damals fortgebracht wurden.
Aber wenn ich's recht bedenke, ist es mir trotz aller tiefen Sehnsucht und
allem Trennungsschmerz leichter, Euch in geregelten Verhältnissen zu
wissen und
Euch verschont zu sehen von all dem Widerwärtigen und Hässlichen. Ich habe
nur den einzigen heißen Wunsch, Euch alle gesund wiederzusehen. Nochmals
liebe Grüße, und bestellt ihm Folgendes: Er selbst und niemand anderes
soll nochmals alles versuchen, und wenn er sich bis an die höchsten
Stellen nach Berlin wendet. [...] Er soll verlangen, dass ich freikomme,
zumal er doch auch Wehrmachtsangehöriger ist. [...] Und nun lebt alle
miteinander nochmals wohl - Gerhard-Junge, Ilsemaus, Hannelekind, Evalein
und mein Dorle-Schatz! Gott behüte Euch! Wir bleiben unlöslich miteinander
verbunden.
Seid herzinniglich gegrüßt und geküsst von Eurer treuen Mutti
Mit gefesselten Händen Kurzporträts und Briefe von Verfolgten des NS
-Regimes Verlag Neue Stadt München 2017