ILIAS KANARIS
1911- 1943
Der Unteroffizier der
königlichen griechischen Marine organisierte an der Küste von Euböa den
Widerstand gegen die deutschen Besatzer, versteckte Flüchtlinge und
verhalf ihnen mit einem eigens beschafften Schiff zur Flucht nach Ägypten.
Nach einer Denunziation wurde er von der Gestapo gefasst und gefoltert,
vom deutschen Kriegsgericht in Athen verurteilt und mit fünf Kameraden
hingerichtet.
Dienstag, 6. Januar 1943
Mein lieber Sohn Kosta!
Wenn Du diese wenigen Zeilen liest, bin ich, mein Sohn, nicht mehr am
Leben, weil mich die Deutschen getötet haben werden. Sie haben mich
dreifach zum Tode verurteilt und zu drei Jahren Kerker. Mein Sohn, mein
Bübchen, ich lasse Dich zurück als eine Waise von zwei Jahren, mein
starker Bub, Du, den ich so sehr liebte, aber ich hatte nicht das Glück,
mich Deiner zu freuen und mit Dir Verstecken zu spielen, wie ich sonst mit
Dir gespielt hatte. Wenn Du ein großer Junge bist, wirst Du diesen letzten
Brief lesen, ich möchte, Du sollst Dich Deines Vaters erinnern und der
Ratschläge, die ich Dir geben werde, mein tüchtiges Kerlchen, mein kleiner
Palikari, mein geliebter Sohn.
Ich will, daß Du mehr als mich Deinen Paten liebst, denn er liebt Dich
sehr und er nimmt sich Deiner an. Achte ihn und höre auf ihn, er ist Dein
Vater und der Vater von uns allen und das Haupt unserer Familie.
Liebe Deine Mutter, Deine Tante Lulu, Deine Tante Andro und Deinen Onkel
Cristoforos. Mein Sohn, spiele nie Karten, betrage Dich gegen keine Frau
schlecht in Deinem Leben und sei ehrlich, aufrichtig und wahrheitsliebend.
Liebe unser Vaterland und sei ein guter Christ. Mein Kosta, mein Söhnchen,
ich hinterlasse Dir nichts, weil ich nichts habe.
Ich lasse Dich in guten Händen, die Dich lieben und für Dich sorgen
werden. Mein Kosta, Du mußt mir verzeihen, daß ich Dich klein und als
Waise verlassen habe. Ich will, daß Du immer für mich betest, mein
Knäbchen, denn sie haben mich verurteilt, weil ich zwei Radios hatte und
Sendungen durchgab und einer Organisation angehörte und den Engländern zur
Flucht verhelfen habe und einen Revolver hatte und versuchte, ihren
Dolmetscher zu erwürgen, und viele andere Dinge, und ich trieb Spionage.
Mein Knäbchen, ich sterbe als Palikari mit Deinem Namen auf den Lippen und
sterbend rufe ich: es lebe England, es lebe Griechenland, es leben unsere
Alliierten. Mein Söhnchen, mein Bübchen, mein Palikari, verzeihe mir, daß
ich Dich als Waise zurücklasse.
Ich sterbe als Palikari.
Leb wohl, leb wohl, leb wohl, mein Bravchen. Ich küsse Dich zärtlich.
Dein Vater
Ilias Kanaris
Literatur; Dies sind nun also die letzten Zeilen Werner Fuld/ Krüger
Verlag 2007