Dichter. - Jochen
Klepper, geboren am 22. März 1903, wählte in der Nacht vom 10. auf 11.
Dezember 1942 mit seiner Frau und
seiner Stieftochter Renate den Freitod, um die beiden geliebten Menschen
vor der Deportation zu schützen.
Er hinterließ das Fragment eines Luther-Romans, um dessen Vollendung er
seit Jahren gerungen hatte.
Sein Ende, so schreibt Reinhold Schneider in einem dem Freunde Jochen
Klepper gewidmeten Kapitel seiner Autobiographie, »war eine menschliche,
eine christliche und eine künstlerische Tragödie. . . .
Sein Geschick ist nur deutbar aus seiner Auffassung von der Ehe: er fühlte
sich eingefordert für das Heil seiner Frau und ihrer Kinder, für die
Heimführung Judas. Denn das ist das Wort des Apostels, daß der Mann dem
Weibe, das Weib dem Manne zum Heil sein sollte. Daß er Frau und Kinder zu
Christus führe, war Kleppers Auftrag. Er hat ihn erfüllt.
Als ihm aber die Macht des Verbrechens die gelobte Gemeinschaft und
Verantwortung nicht mehr erlaubte, nahm er seine Frau und die jüngste
Tochter an der Hand und eilte zu Gott, ehe er sie gerufen hatte.
Das war ein Akt des Glaubens: schütze, die ich nicht mehr schützen kann.
Es war ein Selbstmord unter dem Kreuz, dem Zeichen der Liebe.
Das Problem stellt sich in einer Gestalt, auf die es keine Antwort gibt.«
Das Tagebuch der letzten Woche
Donnerstag, den 3. Dezember 1942
Durch die herzliche Barmherzigkeit unseres Gottes hat uns besucht der
Aufgang aus der Höhe, auf daß er erscheine denen, die da sitzen in
Finsternis und Schatten des Todes, und richte unsere Füße auf den Weg des
Friedens.
Lukas l, 78. 79.Wieder schimmerte nur am Mittag weich die Sonne auf; und
der Rasen des Gartens begann noch einmal zu leuchten. Und sonst war's
abermals ein dunkel hindämmernder Tag.
Den Vormittag habe ich noch einmal dem Garten gewidmet, ihn endgültig für
den Winter bestellt, noch einmal Körbe von Laub entfernt — der Garten ist
wirklich ein kleiner Wald - und die Blumenknollen und zwiebeln eingedeckt.
- Tiefdunkle Abende. Weihnachtsvorbereitungen und Testamentsergänzungen
gehen in diesen
Tagen nebeneinander her ...
C. und F. haben noch einmal Schritte für Renerl unternommen; eine andere
maßgebende Persönlichkeit soll jetzt nicht mehr so ablehnend sein - wir
lesen über solche Berichte nur noch hin; wir glauben, auch Renerle hofft
auf diesem Wege nichts mehr.Heut vor zwei Jahren wurde ich Soldat - Die
Deva, Stuttgart, bei einem Luftangriff von Brandbomben getroffen,
beträchtliche Bücherbestände vernichtet Der »Vater« war ja nicht mehr
dabei.
Freitag, 4. Dezember 1942
Auf ihm wird ruhen der Geist des Herrn, der Geist der Weisheit und des
Verstandes, der Geist des Rates und der Stärke, der Geist der Erkenntnis
und der Furcht des Herrn. Jesaja 11. 2
Auch heut kam mit dem Mittag die Sonne, blieb und verklärte die kostbaren,
wenigen hellen Stunden und ging klar und groß hinter den Kiefern unter,
rosa- und goldgetöntes Gewölk schwebte ihr nach. Der Anfang des Tages
steht unter dem Zeichen der schmalen, klaren Sichel des abnehmenden
Mondes. Unter dem lateinischen Chorbuchblatt ein großer, weicher
Kiefernstrauß, ein Tannenstrauß auf dem Renaissanceschrank des
Refektoriums.
Hanni hatte Frau K. zum Tee; abends fuhren wir in einen Vortrag von
Guardini. Es war das erstemal, daß wir - gar keine Vertrags- und
Vorlesungsmenschen — ejnen Vortrag aufsuchten. Diesmal war der Wunsch
sogar von Hanni ausgegangen, weil Guardini bei unserem Zusammensein doch
sehr auf sie gewirkt hatte. Und was ich noch nie getan hatte: Ich nahm
Notizbuch und Bleistift mit, so groß war auch mein Zutrauen.
Drei überfüllte Säle besten Publikums und bester Jugend; in zwei Säle
mußte der Vortrag durch Lautsprecher übertragen werden.
Die Menschen standen fest eingekeilt; wer nur konnte, schrieb mit....
Nur noch Musik und Landschaft können uns aus unserer häuslichen Stille
locken. So unklar aber, wie die Rechte und Verbote für die Frauen in
Mischehe sind, wagen wir es gar nicht, in Konzerte zu gehen. Große,
dunkle, klare Stemennacht.
Sonnabend, den 5. Dezember 1942
Habt ihr nicht geschmeckt, daß der Herr freundlich ist? 1. Petrus 2, 3
Wieder ist einer der Tage, an dem man sein Herz fest in beide Hände nehmen
muß, an dem man die Augen schließen muß, die die Fügungen Gottes zu sehen
wähnen. Es darf, es darf nicht sein....
Heute früh kam ein Telegramm von Meschkes aus Stockholm: »Katharina und
Brigitte wohl.« So ist Brigittes Kind geboren und heißt, was Karl und
Brigitte mir schon lange in Aussicht stellen ließen, Katharina, nach
Katharina von Bora. Wie schmerzlich ist es, daß man so dafür danken muß,
daß das Kind nicht in Deutschland, dem Deutschland dieser furchtbaren
Gegenwart geboren ist. Am Vormittag kam ein Anruf von A.: Das schwedische
Ministerium des Äußeren hat angerufen, daß für Renate die
Einreiseerlaubnis erteilt ist. —
Wir haben es dem Kinde nicht zu verheimlichen vermocht, als es heimkam,
obwohl ja der schwerste Schritt nun noch aussteht: eine zweite Audienz bei
Minister Frick, um die ich ihn sogleich gebeten habe, bei der sich nun
erweisen muß, ob er zu dem steht, was er im Hinblick auf Reneries Ausreise
im Oktober vorigen Jahres sagte. Nachmittags war Renerle und ich zu A. auf
die Schwedische Gesandtschaft bestellt...
A. lehnt allen Dank ab, er sei nur das Werkzeug Gottes gewesen. Und wieder
heißt's, das Herz festhalten. Auch Baron E., der hinzukam und heute morgen
den Anruf seines Außenministeriums erhielt, sagt, es sei etwas völlig
Außergewöhnliches geschehen. C. soll noch einmal - nun nach einem Jahr -
mit großer Energie für Renerle eingetreten sein...
Die Einreiseerlaubnis, nur formal auf drei Monate begrenzt, gilt für
sofort. Im Hinblick auf die Übersteigerung der Judenmaßnahmen in
Deutschland rät man zur Eile.
Mit dem englischen Gesandten in Stockholm wird bereits darüber verhandelt,
ob man auch Renerle durch die Quäker nun von Schweden nach England bringen
kann. Was kann schon die kommende Woche bringen!
Trotz des Kriegswinters haben Renerle und ich Hanni heute die Zimmer schön
mit Blumen schmücken können, Alpenveilchen und Begonien. Und das Kind
bekam seine geliebten Finesien.
Der Morgen war rauh und windig (4° C), der Abend regnerisch und windig.
Hanni und Renerle schneiderten für Weihnachten. Und wenn ich sie ansehe,
kann ich nur denken, ob ich den neuen Schritt bei Frick auch auf eine
Bitte um einen »Schutzbrief« für Hanni ausdehnen kann.
Meine Sorgen sind ja ohne Maß, sind schon Qual.
Soll denn noch einmal ein Ende sein mit der furchtbaren Selbstanklage, daß
wir Renerle 1939 nicht mit Brigitte nach England geschickt haben —?!
Sonntag, den 6. Dezember 1942. Zweiter Advent
Wenn aber dieses anfängt zu geschehen, so sehet auf und erhebet eure
Häupter, darum, daß sich eure Erlösung naht. Lukas 21, 28
Dunkel, stürmisch und regnerisch; so trübe, daß zu allen Mahlzeiten die
Lampe brennen mußte. Mit Hanni im Adventsgottesdienst. Die beiden ersten
Adventssonntage schon haben die großen, ernsten und die freudigen Lieder
des Advents gebracht. Das Lukas-Evangelium des Zweiten Advents bedeutet
uns ja immer besonders viel.
Wir hatten Adventsbesuch, vielleicht das Beste an diesem für uns so
spannungsreichen Sonntag....
Hans N. und Ed. leben in der schweren Sorge um die Deportation von Ed.s
Mutter, die bisher nur noch der Umstand vor der Deportation bewahrt hat,
daß sie mit einer ansteckenden Krankheit im Krankenhaus lag und gleich
danach operiert wurde.
Auch der fleißige, vielseitige Hans vermag nun nicht mehr zu schreiben -
auch er lebt in einem Zustand nur noch der Beängstigung.Und welches Bild
des Friedens war dieser Adventssonntag im Kerzenschimmer, Tannengrün und
Blurrten, mit seiner stillen kleinen Feier von Katharinas Geburt, Advent
und Sankt Nikolaus. Und abends schrieb Hanni an Meschkes für Brigitte,
»und elend vor Freude und Spannung und Glück«. Und namenloser Angst. Und
doch so gesammelt und voller Liebe und Güte !
Nur die Kinder gerettet wissen - das erfüllt Hanni jetzt mit einer
ergreifenden Leidenschaft.
Montag, den 7. Dezember 1942
Selig sind die Knechte, die der Herr, so er kommt, wachend
findet. Lukas 12, 37
Dunkel und regnerisch. Wir empfinden es als Entlastung, daß in der
Spannung des gestrigen und heutigen Tages Besuche einem aus dem ständigen
Kreislauf der Gedanken heraushelfen. - Und dazwischen und dabei
unablässige Tätigkeit.
Sonnabend, nach der Nachricht aus Stockholm, habe ich an Frick
geschrieben. Heute, als ich aus dem Dienst kam, hatte das Ministerbüro
schon am Vormittag angerufen, daß Frick mich morgen um 11 Uhr erwarte, und
am Nachmittag wurde der Bescheid nochmals wiederholt. Das alles ist sehr
viel, war in dieser Präzision nicht zu erwarten ...
In diesen Tagen drängt sich zuviel fast unausdenkbares Schicksal zusammen.
Wie konnte ich je glauben, Katharina von Bora, in der sich alles das
verdichtet hat, zu schreiben, solange dieses, Hannis Schicksal noch in den
erregtesten, aufgewühltesten Ereignissen abläuft? Dies ist keine
Selbstbeschwichtigung.
Gott muß noch Wunder über Wunder tun, innen und außen, bevor dieses Buch
Wirklichkeit wird.
Dieses Buch, das wie eine Entscheidung auf Tod und Leben geworden ist. Und
doch - was ist auch dieses Buch gegen das Los unseres Kindes. - Und
ängstigt uns nicht immer wieder schon die Frage nach Hannis Los? In
welchen Bannkreis der Angst sind wir geraten!
Dienstag, den 8. Dezember 1942
Unser Herr Jesus wird kommen, daß er herrlich erscheine mit seinen
Heiligen und wunderbar mit allen Gläubigen.
2. Thessalonicher 1.10
Wird mich in dem Abgrund, der sich vor uns nun mit endgültiger Klarheit
auftut, das zweite Wort der heutigen Losung noch erreichen: »Sei getrost
und sei ein Mann und warte des Dienstes des Herrn meines Gottes -.«Ich war
bei Frick.
Er hat noch alles klar im Gedächtnis. Er, einer der wichtigsten Minister
und im Kriege der Generalbevollmächtigte für die Zivilverwaltung, steht zu
dem, was er im Oktober 1941 zugesagt hat: er will Renate aus Deutschland
heraushelfen. Aber hier kann er sie nicht mehr schützen. Niemand kann es.
Er kann mir auch keinen noch so umschreibenden Schutzbrief, wie seinerzeit
für Renerle, mehr geben für Hanni. Nur den Rat und die Zusicherung, zur
Ausreise zu verhelfen für Hanni, nach Reni nach Schweden zu gehen.
»Noch ist Ihre Frau durch die Ehe mit Ihnen geschützt. Aber es sind
Bestrebungen im Gange, die die Zwangsscheidung durchsetzen wollen. Und das
bedeutet nach der Scheidung gleich die Deportation des jüdischen Teils.«
Dies seine Worte. Er war erregt und bedrückt und lief am Schreibtisch auf
und ab. »Ich kann Ihre Frau nicht schützen. Ich kann keinen Juden
schützen. Solche Dinge können sich ja der Sache nach nicht im geheimen
abspielen. Sie kommen zu den Ohren des Führers und dann gibt es einen
Mordskrach.« Für ihn, der seinerzeit Hitler erst die Möglichkeit
geschaffen hat, gewählt zu werden.
Das Gespräch über die Zwangsscheidung wäre nicht geführt worden, hätte ich
Frick nicht um die Beantwortung der Frage gebeten, ob ich für Hanni die
gleichen Schritte unternehmen müsse wie für Renerle.
Denn er hatte mich schon entlassen, nachdem er einen Major der Polizei
hinzugezogen hatte und Ministerialrat Draeger, der sogleich damit
beauftragt worden war, die Schritte gegenüber dem Sicherheitsdienst,
dieser neuen Einrichtung, der gefürchtetsten der Geheimen Staatspolizei,
einzuleiten, damit sie Reni aus dem jüdischen Arbeitseinsatz entläßt und
ihr die Ausreisegenehmigung erteilt. Denn dies ist nun das Neue,
Erschwerende, wohl kaum Überwindbare: Frick kann als Innenminister eine
solche Ausreisegenehmigung nicht mehr ausstellen. Dieser Machtbereich ist
ihm entzogen. Vergeblich suchte Ministerialrat Draeger die beiden
zuständigen Herren des Sicherheitsdienstes für mich telefonisch zu
erreichen. So müssen wir in furchtbarster Spannung weiter warten. -
Und nun ist es so weit, daß ich für Hanni, für mich zur Schwedischen
Gesandtschaft mußte.
Der arme A. hat eine harte Aufgabe; mußten wir doch erklären, daß kein
Verwandter von Renerle mit gleichen Ansuchen mehr kommen würde. Auch jetzt
habe ich mich verpflichten müssen, daß Hanni ihren Antrag zurückzieht,
wenn er Reneries Einreise gefährdet: daß ich den meinigen widerrufe, wenn
er die Genehmigung für Hanni erschwert.
Denn so weit vermögen wir es nicht, Gottes Willen nicht auszuhalten, daß
wir nicht die Trennung ohne Scheidung auf uns nähmen, so furchtbar der
Gedanke ist, daß ein Sieg Deutschlands uns für immer trennt und vielleicht
Hanni und Renerle auch im Ausland einmal so bedroht wie in Deutschland.
Gott weiß, daß ich es nicht ertragen kann, Hanni und das Kind in diese
grausamste und grausigste aller Deportationen gehen zu lassen. Er weiß,
daß ich Ihm dies nicht geloben kann, wie Luther es vermochte: »Nehmen sie
den Leib, Gut, Ehr, Kind und Weib, laß fahren dahin -.« Leib, Gut, Ehr* -
ja! Gott weiß aber auch, daß ich alles von Ihm annehmen will an Prüfung
und Gericht, wenn ich nur Hanni und das Kind notdürftig geborgen weiß. -
Den Gedanken an Flucht - viele fliehen jetzt, und welch furchtbare
Maßnahmen werden sich gegen sie und ihre Beschützer wenden -hat Renerle
aufgegeben. Verweigert der Sicherheitsdienst trotz Fricks Fürsprache ihre
Ausreise, so will sie mit uns sterben; dann bleibt uns auch nur noch eine
ganz kleine Frist für letzte Erledigungen, so nahe und groß ist dann die
Gefahr, nun hinter dem Schutzbrief keine Macht mehr steht und die neu
ausgefüllten Fragebogen gerade auf ihn verweisen mußten. Gelingt Reneries
Ausreise, so will das Kind in all seinem Jammer doch weiterleben. Dann
bleibt uns auch noch eine kleine Frist, und ich werde mir noch eine letzte
Information über den Zeitpunkt der Scheidungsmaßnahmen von Draeger zu
beschaffen suchen, eine entfernte, noch so verklausulierte Andeutung. -
Das Letzte ist besprochen.
Noch schreibe ich dies in der Hoffnung, daß ich es dereinst, den Weg
meines Lebens, Gottes Weg in meinem Leben überblickend, wiederlesen werde.
Aber was nun begonnen hat, ist uns nicht mehr unfaßlich.
Es ist auf furchtbare Weise ganz in das Bewußtsein eingegangen. Ein
dunkler, stürmischer, milder, trüber Tag - wie verdämmerndes und
verwehendes Geschick. Gott ist größer als unser Herz. - Das Wort soll uns
noch in den Tod begleiten.
Noch ist eine Hoffnung, eine ganz schwache Hoffnung. Renis
Einreiseerlaubnis nach Schweden nannten Frick und Draeger (Präsident der
Deutsch-Schwedischen Gesellschaft) ganz unfaßlich. Ist doch selbst Sven
Hedin ein Antrag für einen Schützling von seiner schwedischen Regierung
abgelehnt worden.
Wie, wie sich verhalten gegenüber den anderen Mischehen —?! Stürben Hanni
und das Kind: Gott weiß, daß sich nichts mehr in mir gegen Seinen Willen
auflehnte. Aber nicht dies. Welche Verwandlung hat unser Leben nun von
neuem erfahren -in einem einzigen Gespräch. Hanni ist keiner Träne mehr
fähig.
Mittwoch, den 9. Dezember 1942
Wenn des Menschen Sohn kommen wird, meinest du, daß er auch werde Glauben
finden auf Erden? Lukas 18, 8
Vormittags wurde Hanni zu A. auf die Schwedische Gesandtschaft bestellt,
um alle ihre Personalien einzutragen.
Nachmittags war ich bei Eichmann vom Sicherheitsdienst, nachdem
Ministerialrat Draeger am Vormittag alles vorbereitet hatte. Er glaubte,
Eichmann werde die Genehmigung erteilen; er wolle die Sache rasch
betreiben. Auch Eichmann fragte nach der sofortigen Ausreise. Das deutet
auf neue, drohende Maßnahmen. Morgen soll ich endgültigen Bescheid
bekommen.
Es muß noch festgestellt werden, ob sicherheitspolizeiliche Bedenken gegen
Reni vorliegen. Er: »Ich habe noch nicht mein endgültiges Ja gesagt. Aber
ich denke, die Sache wird klappen.«
Unter Androhung sicherheitspolizeilicher Maßnahmen stehe ich nun unter
strengem Schweigegebot über die nun folgenden Schritte im Falle der
Ausreise. Ich war nun in der Welt meiner Träume; es waren die Menschen,
die Stimmen, die Räume. - Dort, dort liegt die Macht. Die Frage, ob Hanni
im Lande bleibt, wurde gestellt. Ich: »Die Situation meiner Frau
überblicke ich noch nicht.«
Er: »Eine gemeinsame Ausreise würde nämlich nicht gestattet.« Rätsel um
Rätsel. Und das Ganze so unbegreiflich: ein Mann in meiner Lage bei Frick,
beim Sicherheitsdienst.
— Betrachtet man Hanni als Geisel für Reni? Würde man Hanni als meiner
Frau verweigern, was man Renerle als meiner Stieftochter vielleicht
zugesteht?
Morgen um drei Uhr bin ich wieder zur Sicherheitspolizei bestellt. Da ich
am Telefon jetzt so wenig sagen kann, kam Hilde, die sehr teilnimmt,
abends nach dem Dienst zu uns. Nun ist alles so nah, womit wir sie in der
Adventszeit des vorigen Jahres schon so belasten mußten. Diese stillen,
stillen, dunklen, trüben Tage.
So lind, so voller Tränen des Himmels. »Wenn der Herr die Gefangenen Zions
erlösen wird, so werden wir sein wie die Träumenden.« Noch ein Tag so
qualvollen Wartens. Und doch geht alles so rasch. — Abends die arme Hilde
bei uns zur Testamentsbesprechung. Hannis armes Herz trauert noch immer um
»das ewige Haus«.
10. Dezember 1942
Nachmittags die Verhandlung auf dem Sicherheitsdienst.
Wir sterben nun - ach, auch das steht bei Gott - Wir gehen heute Nacht
gemeinsam in den Tod.
Über uns steht in den letzten Stunden das Bild des segnenden Christus, der
um uns ringt.
In dessen Anblick endet unser Leben.
Literatur: Du hast
mich heimgesucht bei Nacht/Abschiedsbriefe und Aufzeichnungen des
Widerstandes 1933 -1945
Herausgegeben von Helmut Golwitzer, Käthe Kuhn, Reinhold Schneider