BRIEFE BERÜHMTER MENSCHEN

 

 

Der letzte Brief

BRIEFE BERÜHMTER MENSCHEN

 

Der letzte Brief: der königliche aller Briefe.
 Sein Aroma ist köstlich. Was sonst in armseliger
 Verteilung aus Briefen blüht:
Genialität des  Denkens,
Glaubens Liebens
– im letzten Brief
wird er zu einer  Synthese.
Sein  Pathos ist unerhört  - aber sein Ethos
wächst darüber hinaus. Beide – Pathos und Ethos –
werden aufgenommen in die hohe Stimme
einer nie zu  entwirrenden Mystik.  Es ist das Schicksal
der letzten Takte der neunten Symphonie,
die eingehen in die Seligkeit eines metaphysischen Soprans. ....

 
Ilse  Linden
  Der letzte Brief Eine Sammlung letzter Briefe
Herausgegeben von Ilse Linden /Erschienen bei Oesterheld & Co Verlag
Berlin 1919
 
 

 



 

Korselt Theodor

1891 - 1943

 

 



Regierungsrat

Dr. Korselt, geboren am 24. November 1891 in Buchholz/Erzgebirge, äußerte in Rostock in der Straßenbahn kurz nach dem Sturz von Mussolini, so müsse es hier auch kommen, der Führer müsse zurücktreten. Er wurde zur Anzeige gebracht und sofort verhaftet. Auch vor Gericht erklärte er, daß diese Worte seiner inneren Überzeugung entsprächen. Er wurde am 24. August 1943 zum Tode verurteilt und am 25. August 1943 in Berlin - Plötzensee hingerichtet.
 

 

 


Abschiedsbrief an die Eltern

Berlin - Plötzensee, den 25. August 1943

Meine geliebten Eltern und Geschwister!

Seit 2. 8. 43 weiß ich leider nicht mehr, was Ihr tut. Natürlich verzweifelt weinen, mehr sicher als ich. Nun ist es aus.
Erst am Freitag, den 20. August, erfuhr ich so nebenbei aus der Bemerkung eines Anstaltsbeamten in Moabit, daß die ganze Überführung nach Berlin, die ich noch in heiterster und fröhlichster Weise auf eigene Kosten bestritt, zweiter Klasse, und mit allerhand Fremden zusammen, die gar nicht merkten, auf was für einem Transport mein Begleiter und ich uns befanden, lediglich zum Zwecke der Vorführung vor das Volksgericht erfolgt war.
Selbst nach der Anklage durch Herren, die mich nie gesehen und gesprochen hatten und mir nur aus Akten „Wehrkraftzersetzung und Feindbegünstigung" vorwarfen, hielt ich diesen Vorwurf gegen mich für so unmöglich, daß ich sehr ruhig war.
Trotzdem erfolgte die Verurteilung. Und da auf diese Dinge, wenn sie zu Recht vorgeworfen werden, vor allem in einer Situation wie der gegenwärtigen, Todesstrafe steht, wurde ich eben zum Tode verurteilt. Ich sterbe ruhig und gefaßt, voller Selbstbewußtsein. ... Recht schön habe ich mich vor einer halben Stunde mit Herrn Anstaltspfarrer Lemke, Altmoabit 12 a, unterhalten. Vielleicht könnt Ihr mit ihm einmal persönlich sprechen, wenn Ihr wissen wollt, wie ich gestorben bin. Ich bin den Anzeigenerstattern in Rostock nicht einmal besonders böse; ich habe dem Reichsinnenministerium gegenüber schriftlich erklärt: „Sie glaubten das Vaterland zu retten. Vater vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun!" Mir kommt die ganze Entwicklung der letzten drei Wochen im Grunde komisch und lächerlich vor. Ich habe innerlich in diesen Wochen sehr viel gelacht. Die letzte Nacht habe ich, doch ein Zeichen prächtigsten Gewissens, neben einem Tschechen in der Zelle sehr gut geschlafen. Ich dachte, die Gnadengesuchsfrist würde bei mir erst anlaufen, und ich würde es monatelang hier noch recht, recht schwer haben. Das vermeidet man nun.
Seid darüber recht froh mit mir!
Ich hätte mir natürlich einen anderen Tod, etwa im Felde oder im Bombenhagel, gewünscht. Euch muß nun genügen, daß es bei mir wenigstens schnell und ohne Quälerei und mit dem besten Selbstbewußtsein geht, zwar eigentlich mit Neugier für das, was ich nun nicht mehr erleben darf, aber ohne Furcht. Lebt wohl, lebt herzlich, herzlich wohl!
Wie schön war es, daß wir auf mein Drängen die Geburtstage derer, deren Bilder noch in letzter Stunde vor mir liegen, so früh feierten. Ich drängte freilich schon so, weil ich irgendwie innerlich fühlte, daß es das letzte Mal sei ... Lebt wohl, lebt wohl: Vatel, Muttel, Liesbeth, Margret, Gick, die Schwäger, die Nichtchen und alle Lieben.

Euer — jetzt darf ichs wohl von mir selber sagen: ich war es! -

guter Theo





Literatur: Du hast mich heimgesucht bei Nacht
Abschiedsbriefe und Aufzeichnungen des Widerstandes 1933 -1945
Herausgegeben von Helmut Golwitzer, Käthe Kuhn, Reinhold Schneider


 

 


 

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