Korselt Theodor
1891 - 1943
Regierungsrat
Dr. Korselt, geboren am 24. November 1891 in Buchholz/Erzgebirge, äußerte
in Rostock in der Straßenbahn kurz nach dem Sturz von Mussolini, so müsse
es hier auch kommen, der Führer müsse zurücktreten. Er wurde zur Anzeige
gebracht und sofort verhaftet. Auch vor Gericht erklärte er, daß diese
Worte seiner inneren Überzeugung entsprächen. Er wurde am 24. August 1943
zum Tode verurteilt und am 25. August 1943 in Berlin - Plötzensee
hingerichtet.
Abschiedsbrief an die Eltern
Berlin - Plötzensee, den 25. August 1943
Meine geliebten Eltern und Geschwister!
Seit 2. 8. 43 weiß ich leider nicht mehr, was Ihr tut. Natürlich
verzweifelt weinen, mehr sicher als ich. Nun ist es aus.
Erst am Freitag, den 20. August, erfuhr ich so nebenbei aus der Bemerkung
eines Anstaltsbeamten in Moabit, daß die ganze Überführung nach Berlin,
die ich noch in heiterster und fröhlichster Weise auf eigene Kosten
bestritt, zweiter Klasse, und mit allerhand Fremden zusammen, die gar
nicht merkten, auf was für einem Transport mein Begleiter und ich uns
befanden, lediglich zum Zwecke der Vorführung vor das Volksgericht erfolgt
war.
Selbst nach der Anklage durch Herren, die mich nie gesehen und gesprochen
hatten und mir nur aus Akten „Wehrkraftzersetzung und Feindbegünstigung"
vorwarfen, hielt ich diesen Vorwurf gegen mich für so unmöglich, daß ich
sehr ruhig war.
Trotzdem erfolgte die Verurteilung. Und da auf diese Dinge, wenn sie zu
Recht vorgeworfen werden, vor allem in einer Situation wie der
gegenwärtigen, Todesstrafe steht, wurde ich eben zum Tode verurteilt. Ich
sterbe ruhig und gefaßt, voller Selbstbewußtsein. ... Recht schön habe ich
mich vor einer halben Stunde mit Herrn Anstaltspfarrer Lemke, Altmoabit 12
a, unterhalten. Vielleicht könnt Ihr mit ihm einmal persönlich sprechen,
wenn Ihr wissen wollt, wie ich gestorben bin. Ich bin den
Anzeigenerstattern in Rostock nicht einmal besonders böse; ich habe dem
Reichsinnenministerium gegenüber schriftlich erklärt: „Sie glaubten das
Vaterland zu retten. Vater vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie
tun!" Mir kommt die ganze Entwicklung der letzten drei Wochen im Grunde
komisch und lächerlich vor. Ich habe innerlich in diesen Wochen sehr viel
gelacht. Die letzte Nacht habe ich, doch ein Zeichen prächtigsten
Gewissens, neben einem Tschechen in der Zelle sehr gut geschlafen. Ich
dachte, die Gnadengesuchsfrist würde bei mir erst anlaufen, und ich würde
es monatelang hier noch recht, recht schwer haben. Das vermeidet man nun.
Seid darüber recht froh mit mir!
Ich hätte mir natürlich einen anderen Tod, etwa im Felde oder im
Bombenhagel, gewünscht. Euch muß nun genügen, daß es bei mir wenigstens
schnell und ohne Quälerei und mit dem besten Selbstbewußtsein geht, zwar
eigentlich mit Neugier für das, was ich nun nicht mehr erleben darf, aber
ohne Furcht. Lebt wohl, lebt herzlich, herzlich wohl!
Wie schön war es, daß wir auf mein Drängen die Geburtstage derer, deren
Bilder noch in letzter Stunde vor mir liegen, so früh feierten. Ich
drängte freilich schon so, weil ich irgendwie innerlich fühlte, daß es das
letzte Mal sei ... Lebt wohl, lebt wohl: Vatel, Muttel, Liesbeth, Margret,
Gick, die Schwäger, die Nichtchen und alle Lieben.
Euer — jetzt darf ichs wohl von mir selber sagen: ich war es! -
guter Theo
Literatur: Du hast
mich heimgesucht bei Nacht
Abschiedsbriefe und Aufzeichnungen des Widerstandes 1933 -1945
Herausgegeben von Helmut Golwitzer, Käthe Kuhn, Reinhold Schneider