KRÄFTNER HERTHA
( 1928 - 1951)
Liebe Tante 12.11. 1951
[…. ] Ich kann Dir nicht viel erklären, warum ich es tue, aber ich glaube
ich bin krank. Ich habe in der letzten Zeit unter so schrecklichen
Depressionen gelitten, dass ich es einfach nicht mehr aushalte. Der
Gedanke allein, dass ich krank sein könnte, treibt mich zum Tod. Bitte,
versteh es und sei nicht böse. Es ist wahrscheinlich das Schicksal meines
Großvater, das in mir wiedergeboren wurde…
An Harry R. 12. 11. 1951
Letzter Brief
Lieber Harry,
verzeih mir, aber ich kann nicht zu Dir kommen. Ich kann niemals kommen,
weil ich in ein paar Stunden Veronal nehmen werde. Ich bin vollkommen
verzweifelt.
Vergiß mich nur dann, wenn die Erinnerung Dir weh tut. Ich habe Dich sehr
geliebt, aber für mich gab es keine Tröstung. Ich werde mich auflösen in
einen Gedanken an Weiden und eine Fähre über den Fluß. Der Knabe Elis.
Vielleicht hätte ich gerne mit Dir gelebt, aber Du warst so weit, ich
konnte nicht hinüber.
Leb wohl, hab es gut. Trink Mohn und träume
Deine Hertha
Hertha Kräfner Kühle
Sterne Gedichte, Prosa Briefe / Wieser Verlag 1997