55 Jahre all -
Schriftsteller - geboren in Aachen am 30. August 1887. - Studierte
Mathematik, die Rechte, Nationalökonomie und Philosophie - betätigte sich
all Schriftsteller, Dramaturg und Theaterkritiker - als Redaktor der
Zeitschrift «Die Tat» förderte er das Studium und die Verbreitung des
sozialistischen Gedankengutes - bis zur Machtergreifung Hitlers entfaltete
er, zusammen mit seiner Frau Grete und dem Schwager Hans Otto, eine
Tätigkeit in der Opposition, die 1938 von der Gestapo unterdrückt wurde •
schloss sich 1941 der Gruppe «Rote Kaelle» an.,in der er sich besonders
der Geheimpresse widmete. - Anfangs September 1942 in Berlin von der
Gestapo verhaftet - in das Gefängnis an der Prinz Albrecht-Strasse
übergeführt - gefoltert. - Vom 15. bis 19, Dezember 1942 Prozess gegen ihn
und zwölf führende Mitglieder seiner Gruppe vor dem Reichskriegsgericht
«Senat II in Berlin-Charlottenburg. - Am 5. August 1943 in
Berlin-Plötzensee gehängt, zusammen mit Cato Bontjes van Beek, Hilde Coppi
und acht anderen Patrioten!.*
Mein lieber, kleiner, grosser Sohn!
Ja, mein Grosser bist Du und verstehst schon so viel mit Deinem klugen
Herzen, das hab ich gespürt, als Du mich hier besuchtest, und darum weisst
Du auch and sollst es auch wissen, dass Dein Vater traurig ist, weil er an
Deinem Geburtstag nicht bei Dir sein kann. Wie gern würde ich in Frankfurt
mit Dir vors Haus gehen, wenn es dunkel ist, oder noch lieber in Berlin
auf den grossen Dachgarten und mit Dir nach den Sternen sehen, die Du
immer schon als ganz kleiner Krott so liebgehabt hast,
Ich habe hier viel in dem grossen Buch gelesen, in dem alles über die
Sterne steht (erinnerst Du Dich?) und habe oft dabei an
Dich gedacht, wie Du sie noch einmal sehen wolltest nach dem Luftalarm,
und da, waren die zwei schönen hellen, die immer zusammenstanden, und dann
der grosse, und Du wolltest wissen, wie er hiess. Weisst Du es noch, nein,
sicher nicht: Der König der Sterne Jupiter, Denke Dir, er hat acht Monde,
wie unser Mond, und er ist nur so weit weg, dass man sie nicht sehen kann.
Aber in Berlin gibt es ein Haus, eine Sternwarte mit Fernrohren, und wenn
man hindurchschaut, sieht man die Monde um den Jupiter, und unseren
eigenen Mond sieht man ganz gross mit Bergen, so hoch wir die in
Traunkirchen. Es tut mir leid, dass wir nicht einmal hingegangen sind, und
dann hätten wir auch den Saturn gesehen, der grossen hellen Ring um sich
hat.
Das geht nun nicht. Aber weisst Du was? Weil wir beide die Sterne so gern
haben, wollen wir in der Stunde Deiner Geburt, so zwischen halb fünf und
fünf, aus dem Fenster zum Himmel hinaufsehen und ganz besonders lieb
aneinander und an Mutter denken. Und wenn der Himmel voll Wolken ist, so
denke, dass es so ist wie damals, als sie Dich geboren hat und fast dabei
gestorben wäre, und wenn es klar ist, dass das dieselben Sterne sind, die
damals hinter den dunklen Wolken gestanden haben.
Und nun wünsche ich Dir einen schönen Tag mit den Grossetern und sicher
mit Harald, Karin und Tante Käthe, die Du alle von Herzen von mir grüssen
sollst. Und sag ihnen, dass Mutter mir geschrieben hat und ich ihr, und
dass wir sehr froh darüber sind.
Auch die süssen Puppen, die sie Dir gemacht hat, habe ich sehen dürfen,
die musst Du, weil in jedem Stich ein sehnsüchtiger, liebevoller Gedanke
an Dich ist, ganz besonders in Ehren halten.
Geliebtes Kind, ich nehme Dich in meine Arme und küsse Dich. Schreib mir
einmal.
Dein Vater
Für Ule
Mein lieber Sohn, du grosses, spätes Glück,
so lasse ich dich -vaterlos zurück?
Ein ganzes Volk — nein, das ist viel zu klein,
das Menschenvolk wird dir dem Vater sein! ..
* Grete Kuckhoff hat
eine Biographie ihres Gatten veröffenticht: Adam Kuckhoff zum Gedenken
Aufbau Verag Berlin