BRIEFE BERÜHMTER MENSCHEN

 

 

Der letzte Brief

BRIEFE BERÜHMTER MENSCHEN

 

Der letzte Brief: der königliche aller Briefe.
 Sein Aroma ist köstlich. Was sonst in armseliger
 Verteilung aus Briefen blüht:
Genialität des  Denkens,
Glaubens Liebens
– im letzten Brief
wird er zu einer  Synthese.
Sein  Pathos ist unerhört  - aber sein Ethos
wächst darüber hinaus. Beide – Pathos und Ethos –
werden aufgenommen in die hohe Stimme
einer nie zu  entwirrenden Mystik.  Es ist das Schicksal
der letzten Takte der neunten Symphonie,
die eingehen in die Seligkeit eines metaphysischen Soprans. ....

 
Ilse  Linden
  Der letzte Brief Eine Sammlung letzter Briefe
Herausgegeben von Ilse Linden /Erschienen bei Oesterheld & Co Verlag
Berlin 1919
 
 

 



 

Käthe Niederkirchner

1910 - 1944
 

 



33 Jahre alt - Angestellte • geboren 1910, - Betätigte sich von früher Jugend aktiv an der deutschen Arbeiterbewegung • 1932 wegen der hervorragenden Rolle, die sie im Streik der öffentlichen Transportarbeiter Berlins spielte, erstmals verhaftet • 1933 zum Verlassen Deutschlands gezwungen, - Kehrte 1943 heimlich dorthin zurück, wurde verhaftet, von Gefängnis zu Gefängnis verschoben und schliesslich in das Konzentrationslager Ravensbrück eingeliefert. • In Ravensbrück am 27, September 1944 umgebracht.

 

 



21. September 1944, abends.
Vier Tage bin ich nun schon hier in der Zelle, und noch immer hat mir niemand gesagt, warum, weshalb. Es ist so schwer mit dem Leben abzuschliessen, wenn man noch so jung ist. Ich bin hier mit drei Frauen zusammen, die teils geistig anomal, teils minderwertig sind. An Aussprachen ist überhaupt nicht zu denken. Warum wartet man mit dem Morden so lange? In meinem Kopf dreht sich alles. Ich erwäge alle Möglichkeiten,


23. September 1944, abends.
Meine liebe, gute Hilde.

Ich bin so froh, dass wir uns noch getroffen haben. Du hast Dich wirklich wie ein treuer Kamerad gezeigt und mir noch so viel Liebe erwiesen, ich danke Dir. Alle Kameraden, die mich gar nicht kannten waren so gut zu mir. Jeden Tag schliesse ich mit dem Leben ab und denke, heute abend ist es so weit, und die Nacht ist entsetzlich. Dann fängt wieder ein Morgen an, und die Qual beginnt neuem. Werden sie heute kommen?
25. September 1944, abends.

Heute will ich Abschied nehmen von meinen Lieben. Ich habe eine Ahnung, dass ich nicht mehr lange hier bin. Meinem lieben, teuren Vater müsst Ihr sagen, dass ich ihm keine Schande gemacht habe. Ich habe niemanden verraten. Meine Gedanken sind ständig bei ihm. So gern hätte ich ihn noch einmal gesprochen. Meine gute Mutter, meine Schwester Mia, meine Brüder, allen meine letzten Grüße. Mia, wir hätten uns gerade die letzten Jahre so gut verstanden. Vergesst Eure Katja nicht.




 


" Und die Flamme soll euch nicht versengen" / 1955 Steinberg Verlag Zürich 1955
 

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