BRIEFE BERÜHMTER MENSCHEN

 

 

Der letzte Brief

BRIEFE BERÜHMTER MENSCHEN

 

Der letzte Brief: der königliche aller Briefe.
 Sein Aroma ist köstlich. Was sonst in armseliger
 Verteilung aus Briefen blüht:
Genialität des  Denkens,
Glaubens Liebens
– im letzten Brief
wird er zu einer  Synthese.
Sein  Pathos ist unerhört  - aber sein Ethos
wächst darüber hinaus. Beide – Pathos und Ethos –
werden aufgenommen in die hohe Stimme
einer nie zu  entwirrenden Mystik.  Es ist das Schicksal
der letzten Takte der neunten Symphonie,
die eingehen in die Seligkeit eines metaphysischen Soprans. ....

 
Ilse  Linden
  Der letzte Brief Eine Sammlung letzter Briefe
Herausgegeben von Ilse Linden /Erschienen bei Oesterheld & Co Verlag
Berlin 1919
 
 

 




Pierschke Johann

1900 - 1944
 



41 Jahre alt. Maschinist - geb. 1900 in Berlin-1936 wegen antinazistischer Tätigkeit zu anerthalb Jahren Gefängnis verurteil - nach Verbüssung der Strafe bis 1939 in ein Konzentrationslager gebracht- Kaum freigelassen, schloss er sich der Gruppe " Uhrig" an und organisierte in der Geschäftsstelle" Bucharski" in Berlin eine geheime Kerntruppe zur Propaganda unter den Arbeitskammeraden .Vermutlich anfangs 1942 verhaftet, als sozusagen aller Mitglieder seiner Gruppe festgenommen ins Konzentrationslage Sachsenhausen verbracht und im Februar 1944 abgeurteilt wurden. Am 14. August 1944 hingerichtet.





Meine liebe gute Frau!
Kannst Du Dir so etwas vorstellen, Margot... bald bin ich nicht mehr, in einer Stunde war ich einmal. ....
Liebe Margot, quäle Dich nicht zu sehr, nimm es Dir nicht so zu Herzen, wir müssen ja alle einmal sterben. Ach, ich weiss, dass sich das alles sehr leicht sagen lässt, doch . ..
Grüsse mir die Kinder und erzähle ihnen später alles. Ich habt gehofft und gewartet auf Dich diese Tage, um Dich noch einmal zu sehen, das konntest Du aber nicht wissen, sei's drum. Nun muss man sich noch beeilen, dass man fertig wird. Muttchen, ach mein liebes Muttchen, wird sie weinen um ihren Sohn, tröste sie, liebt Margot und rede ihr gut zu, ja?
Könnte man Euch helfen, aber man kann es ja nicht..,
Sag der Mutter, dass ich ja gestorben bin, wie sie es immer gewünscht hatte.
Auch sterben muss man können, Margot, es geht nicht anders, es muss sein!

Ich sehe Dich die Hände ringen, wenn Du die Nachricht erhältst, dass ich hinüber gegangen bin, verzeih mir, Margot, dass ich auch dieses Dir noch antun musste . .. verzeih mir alles, mein Lieb ...
Meine Liebe, Gute, was soll ich Dir noch schreiben? Ich kam nicht mehr, die Zeit ist um, Margot!
Nun sei Du mir herzlichst gegrüsst und tausendmal geküsst.
Lebe wohl, und werde mir glücklich ...
Liebe gute Margot, liebe Geschwister, liebe Mutter .....







" Und die Flamme soll euch nicht versengen" / 1955 Steinberg Verlag Zürich 1955

 



 

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