Nach der Niederlage
der preußischen Truppen gegen Napoleon wurde dieser Brief von einem
Bewohner gefunden. Nach den in dem Brief erwähnten Details dürfte es sich
um einen Ordonnanz des Stabes Hohenlohe gehandelt haben, der
wahrscheinlich der Berliner Garnison angehört hatte. Knapp zwei Wochen
nach der Schlacht zog Napoleon kampflos in Berlin ein.
Kapellendorf, Montag nachts.
Dies ist, meine Blanche, nun wohl der letzte Brief vor dem großen Spiel
der Würfel und der letzte vielleicht, den ich, hingestreckt am Lagerfeuer
und umgeben von
dem Lärm der allenthalben schon erwachenden Armee Dir schreibe. Arme
elende Zeilen, flattert denn hinweg über den Abgrund zwischen Leben und
Tod, umarmt statt meiner die Geliebte! Ach wie gern hätte ich Dir in den
letzten bewegten Tagen geschrieben, wären die Ereignisse, die mannigfachen
Rufe der kriegerischen Pflicht, die Schicksalsschläge nicht allzu schnell
einander gefolgt! Ritte hierhin und dorthin, durch das rauhe Gebirg, durch
das Gedräng der Bagagen und ermattete Truppen, die nicht immer gutwillig
und oft genug verdrossen und verstört schienen.
Vorgestern schickte mich der Fürst, Versprengte vom Bataillon Rabenau zu
sammeln, das bei der Saalfelder Affäre engagiert gewesen war - ach, wie
brach mein Herz beim Anblick dieser Männer, in deren Augen noch das
Entsetzen war! Wie gedachte ich des Prinzen, der auf Adlersfittichen
Preußens glanzvollste Hoffnungen trug und nun dahingemaht ist wie so viele
Gefährten! Ach meine Blanche, schwer ist mein Herz, und noch schwerer ist,
Dir zu sagen, wie ahnungsvoll es ist. Gestern Abend war ich bei der
Avantgarde, sah in die dämmrigen Nebel des Tales hinab, spürte dort
vielfach geheimnisvolles Werden und wußte: es ist das Schicksal, das uns
allen von dort aufsteigt. So lange wir sind, wie wir diese Welt betreten,
ist der Korse unüberwindlich - ach, und wer von uns vermöchte wohl, sich
hinüberzuschwingen in eine neue, andere Zeit ohne Poesie des Gemütes?
Blanche, meine Blanche, ich fühle, daß ich morgen sterben werde, das
Stöhnen des Morgenwindes, der Duft des modrichten Herbstlaubes, jeder Puls
des Herzens sagt es mir.
Und obwohl mir Todesangst nicht fremd ist: kann ichs denn anders wollen,
und war es nicht in den reinsten Träumen so, daß ich mir den Tod des
Jünglings wünschte? Das Leben ist noch verklärt und hell, mag es denn so
bleiben, wenn mein Herz den letzten Schlag tut und mein letzter
erlöschender Gedanke bei Dir ist.
Der Frühwind beginnt und
die Feuer sind herabgebrannt, es beginnt der große Tag. Geliebte leb wohl,
Freundin heiligster Stunden, ich umarme Dich als der noch Atmende, wie
meine letzten Gedanken Dich umfangen sollen.
Ewig der Deine Fritz