KURT SCHUMACHER
1905 - 1942
Bildhauer
geboren am 6. Mai 1905; am 22. Dezember 1942 als Mitglied der
sozialistischen Widerstandsgruppe zusammen mit seiner Frau Elisabeth
Schumacher, hingerichtet,
27. November 1942
Man nahm mir einen großen, doppelseitig eng beschriebenen Bogen fort,
meinen Nachlaß. Ich schrieb darin über meine trostlosen Tage hier und daß
ich aus Gründen der Selbsterhaltung für mich und das Volk die Chaospolitik
der Nationalsozialisten bekämpft habe und deshalb hier bin. Einen Ausweg,
ein leben der Freiheit, der Menschenwürde und des Wohlstands können nur
die internationalen Sozialisten schaffen in einem sozialistischen Europa.
Deshalb habe ich in ihren Reihen bis zum letzten gekämpft. Von Beruf bin
ich Bildhauer, Holzschnitzer. Riemenschneider, Veit Stoß, Jörg Ratgeb
waren meine großen Kollegen, vor denen ich mich voll Demut im Dunkeln
beuge.
Sie starben an der huhu der Bauernrevolutionäre, im Kampf gegen Fürsten
und Kirche, gegen die Reaktion. Sie konnten nicht blind mit ansehen, wie
die Bauern unter der Fron zugrunde zu gehen drohten. Ihr Herz zwang sie
auf die Seite der Aufständischen gegen eine Reaktion, welche die Zeit zu
ihren Gunsten festhalten wollte.
Deshalb sind ihre Kunstwerke auch so unendlich schön, weil sie in der Zeit
standen. Denn nur die Werke der Künstler haben Weltgeltung, sind
unsterblich, die im gesellschaftlichen geschehen hohen und seinen
Konflikten standen und stehen, die eine kleine Welt in einer größeren Welt
darstellen.
Warum führte ich nicht ein zurückgezogenes Künstlerleben, abseits der
Politik?
Weil dann eben diese Kunst nur eine kleine Geltung gehabt hätte und nicht
unsterblich lebendig gewesen wäre. So sterbe ich lieber, als daß ich das
belanglose Leben der Vielen, Allzuvielen gelebt hätte. Es war wenigstens
ein großes Ziel.
Da außerdem das Dritte Reich nur seiner Kunst den Weg freigab, der Kunst
einer politisch zum Untergang vorurteilten Sache, war es zwangsläufig für
mich, meine künstlerische Freiheit im politischen Kampf gegen ein nicht
lebensfähiges chaotisches System zu erkämpfen, getreu den
mittelalterlichen Vorgängern.
Kann je ein Mensch das Maß an Schmerzen, Kummer, Not, Elend und
Verzweiflung ermessen, das all die Armen zu erdulden haben, weil sie an
eine friedliche Gemeinschaft der Völker glauben, die mit ihrer Hände
Arbeit ein menschenwürdiges Dasein schaffen können, jenseits der Barbarei
des Krieges mit den ungeheuren technischen und organisatorischen Mitteln
der Neuzeit großen Wohlstand erreichend, der Friede bedeutet?
Ich war nicht genügend stumpfsinnig und hatte ein zu fühlendes Herz, um
nicht auch mitbestrebt zu sein, das zu erringen. Deshalb bin ich hier.
„Der Mensch unterscheidet sich vom Tier dadurch, daß er denken und danach
handeln kann mit eigenem Wollen. Furchtbar das Los einer menschlichen
Hammelherde, die zur Schlachtbank gejagt wird und weiß nicht, wofür."
Ich weiß, daß meine, unsere Weltanschauung siegt, wenn auch wir, die
kleine Vorhut, fallen. Wir hätten gern dem deutschen Volk das Härteste
erspart. Unsere kleine Schar hat aufrecht und tapfer gekämpft. Wir konnten
nicht feige sein.
(Gefesselt, unter fast ständiger Beobachtung geschrieben )
Literatur: Du hast
mich heimgesucht bei Nacht
Abschiedsbriefe und Aufzeichnungen des Widerstandes 1933 -1945
Herausgegeben von Helmut Golwitzer, Käthe Kuhn, Reinhold Schneider