Es war mir nicht mehr vergönnt, mich persönlich von Dir zu verabschieden,
so will ich es kurz schriftlich tun. Vor allem, damit Du die Gewißheit
hast, daß meine letzten Gedanken auf dieser Welt nur Dir gehören.
Anne-Liese, Du Gute, ich habe nur eine Bitte an Dich, Du mögest Dein
Schicksal so leicht tragen wie ich meines. Ich sterbe im festen Glauben an
Gott und ein Wiedersehn im Jenseits. Deshalb bitte ich Dich, Du Liebe, Du
wollest auch ganz fest auf Gott vertrauen. Ich sagte Dir bei Deinem
letzten Besuch, daß Gott bestimmt alles zum besten fügen wird, und das tut
er denn auch, denn: „Welche ich liebhabe, die strafe und züchtige ich. So
sei nun fleißig und tue Buße." Den letzten Satz, liebe Anne-Liese, wollest
Du so verstehen, daß Du nicht etwa verzweifelt und traurig sein sollst,
sondern dankbar für die schönen Stunden, die uns in dieser kurzen Zeit
geschenkt waren — morgen wären es genau dreiundzwanzig Monate - und still
meinem Andenken leben sollst. Glaube fest an Gott und bete zu Ihm nicht
für mich — denn ich bin zu diesem Zeitpunkt, wenn Du dies liest, schon bei
Ihm —, sondern für Dich und Deinen Sohn und alle Lieben, daß Ihr das Leid
leicht tragen möchtet. In kurzer Zeit, meine geliebte, gute, treue
Anne-Liese, werden wir ja wieder vereint werden, und dann werden wir noch
viel glücklicher werden als bisher. Im Geist umarme ich Dich und
Hans-Detlef und gebe Euch den Abschiedskuß.
Wenn Du mich auch nicht mehr siehst, so bin ich immer um Dich und denke
Deine Gedanken und fühle Deine Gefühle.
Auf Wiedersehen!
Dein Hans-Erich
Literatur: Du hast
mich heimgesucht bei Nacht
Abschiedsbriefe und Aufzeichnungen des Widerstandes 1933 -1945
Herausgegeben von Helmut Golwitzer, Käthe Kuhn, Reinhold Schneider