HERMANN STÖHR
1898 - 1940
Dr. rer. pol. Hermann Stöhr, geboren 1898, Sekretär des „Deutschen
Versöhnungsbundes", widmete sein Leben, schreibend, organisierend und
lehrend, dem ihm von seinem evangelischen Christentum eingegebenen
Gedanken der sozialen Wohlfahrt und des Friedens. Sein geschichtliches
Studium galt vor allem der Auslandshilfe der Vereinigten Staaten. In ihr
sah er eine zukunftsreiche, den nationalen Egoismus überwindende Form der
Politik vorgebildet. Unter Hitler verweigerte er den Kriegsdienst und
wurde am 21. Juni 1940 wegen „Zersetzung der Wehrkraft" hingerichtet. Er
starb in treuem Festhalten an den Grundsätzen, die er 1914 bei der
Gründung des Versöhnungsbundes niedergelegt hatte:
„Die Liebe, wie sie sich im Leben und im Tode Christi offenbart, ist die
einzige Macht, die das Böse bezwingen kann und die einzige dauernde
Grundlage für die menschliche Gesellschaft.
Um eine Weltordnung aufzurichten, die auf die Liebe sich gründet, müssen
jene, die an dieses Grundgesetz glauben, es selbst völlig annehmen. Sie
müssen die Folgen auf sich nehmen, die sich in einer Welt ergeben, welche
diese Ordnungen noch nicht anerkennt. Deshalb ist es uns als Christen
verboten, Krieg zu führen."
Aus einem Brief an die Schwägerin
3. Juni 1940
. . . Mit mir steht es so: Ich habe den Militärbehörden seit 2. 3. 39
erklärt, ich könne meinem Vaterlande nur mit Arbeit dienen, aber nicht mit
der Waffe (Matth. 5, 21-26, 38-48) und mit einem Eid (Matth. 5, 33-37; Jak.
5, 12). Und Gottes Gebote gelten für mich unbedingt (Ap.-Gesch. 5, 29).
Am 16. März 1940 erhielt ich dafür mein Todesurteil und am 13. April 1940
wurde das Urteil bestätigt.. - Täglich bereit sein zum Sterben, das soll
ja jeder Christ. Und dafür ist mir dies jetzt eine Schulung. Zwischendurch
freue ich mich meiner Ruhe, die ich vor allem zum Bibelstudium nutze.
An die Mutter
19. März 1940
. . . Wo noch etwas Todesscheu ist, da stimmt irgend etwas nicht. Darüber
habe ich letzthin viel nachgedacht und an Hand von Bibel und Gesangbuch
studiert.
Rein weltlich gesehen ist ja die Todesstrafe das Ärgste, was uns hier auf
Erden widerfahren kann. Vom Standpunkt des Glaubens aus aber heißt es: Was
können uns Menschen tun? Da weiß man sich sicher geborgen in der Hand des
Allmächtigen... Es hat nicht an mehr oder minder wohlmeinenden Versuchen
gefehlt, die mich zu einer anderen Meinung zu bringen wünschten.
Es war jedoch so, daß mich dies nur bestärkt hat in der Erkenntnis, daß
Gott auch den Völkern geboten hat, einander zu helfen und zu lieben. In
Dingen einer von Gott geschenkten Erkenntnis aber zu lügen, nur um mir das
kleine Leben zu erhalten, das ging nicht.
Es hätte bedeutet, Gott verachten und mein Leben auf eine Lüge gründen. —
Vor einem Jahr nagelte mir Gertrud den gebrannten Wandspruch über mein
Bett: Sei getreu bis in den Tod, so will ich dir die Krone des Lebens
geben. Anfangs schien er mir zu hart zu sein, da ich gleich an eine
derartige Situation denken mußte, wie die meinige jetzt ist. Ich habe viel
daran herumbuchstabiert und ihn schließlich bejaht.
Es liegt ja auch eine zu große Verheißung darin. Wenn wir den
Osterglauben, den Glauben an eine Auferstehung des Leibes wirklich haben,
erfüllt uns gerade angesichts des Todes eine große Freude, die uns bei
irdischen Widrigkeiten nur um so heller entgegenstrahlt.
Wenn wir diesen Glauben fahren lassen, wird es allerdings düster um uns.
So wünsche ich also mir und Euch vor allem einen Glauben an den
auferstandenen Herrn, der standhält.
Literatur: Du hast mich heimgesucht bei Nacht
Abschiedsbriefe und Aufzeichnungen des Widerstandes 1933 -1945
Herausgegeben von Helmut Golwitzer, Käthe Kuhn, Reinhold Schneider