BRIEFE BERÜHMTER MENSCHEN

 

 

Der letzte Brief

BRIEFE BERÜHMTER MENSCHEN

 

Der letzte Brief: der königliche aller Briefe.
 Sein Aroma ist köstlich. Was sonst in armseliger
 Verteilung aus Briefen blüht:
Genialität des  Denkens,
Glaubens Liebens
– im letzten Brief
wird er zu einer  Synthese.
Sein  Pathos ist unerhört  - aber sein Ethos
wächst darüber hinaus. Beide – Pathos und Ethos –
werden aufgenommen in die hohe Stimme
einer nie zu  entwirrenden Mystik.  Es ist das Schicksal
der letzten Takte der neunten Symphonie,
die eingehen in die Seligkeit eines metaphysischen Soprans. ....

 
Ilse  Linden
  Der letzte Brief Eine Sammlung letzter Briefe
Herausgegeben von Ilse Linden /Erschienen bei Oesterheld & Co Verlag
Berlin 1919
 
 

 





WERNER SYLTEN
1893 - 1942


 




Pfarrer

Geboren am 9. Juli 1893; getötet im KZ Dachau am 26.August 1942.

Aus Briefen an die Seinen

1. Juli 1941

Wie werdet Ihr auf Nachricht warten; nun kommt der erste Gruß aus Dachau. Ich bin durchaus gesund und wohlauf; Ihr braucht Euch also darüber keine Sorgen zu machen. -
Wir alle müssen täglich um Geduld bitten — nicht unser, sondern „Dein Wille geschehe".

Dachau 3 K, den 12-14. Dezember 1941

Ihr Lieben, so ist es uns nicht erspart geblieben, daß wir nach so langer Trennung auch das Weihnachtsfest nicht in gewohnter Gemeinschaft feiern können. Wie vielen Familien freilich geht es ähnlich — und wie viele Kinder wissen schon, daß sie ihren Vater nicht mehr lebend sehen werden! Wir dürfen uns noch „fröhliche, selige, gnadenbringende Weihnachtszeit" wünschen.
Damals in Bethlehem gab's ja auch großes Herzeleid, und keinerlei „Gemütlichkeit" war in jenem Stall zu finden. Und doch war es ein Jubilieren und Fröhlichsein bei Engeln und Hirten, denn der ersehnte Christus war zu den Menschen gekommen. Seitdem mag es noch so unheimlich zugehen auf Erden, in unserem Leben, - durch Christus wissen wir, daß Gott der Herr nur Gutes mit uns vorhat, auch wenn es manchmal ganz anders aussieht.
Es ist ja Weihnachten geworden; das gibt der Welt einen neuen Schein, und wir können, auch unter Tränen, fröhlich Weihnachten feiern. Drum „singet und seid froh".

Dachau 3 K, den 11. Januar 1942

„Du Vater, Du rate, lenke Du und wende, Herr, Dir in die Hände sei Anfang und Ende, sei alles gelegt." Meine Lieben, dunkel Hegt 1942 vor uns.
Unsre Wünsche kennen wir — was Gott über uns beschlossen, wissen wir nicht. Wir legen alles in Seine guten Hände im Vertrauen, daß Er's in jedem Falle richtig macht

20./22. Februar 1942

Mein lieber Reinhard, vergiß nie auch im Leid dankbar zu sein. Es gibt immer vieles, wofür Gott zu danken ist. Schau nur genau hin! Wer dankbar ist, wird nicht bitter.
Ihr beide seid stets von soviel Liebe umgeben gewesen. Daß das in Euch immer neue Liebe weckte, Ihr Liebe ausstrahltet.
Die Welt braucht viel, viel Liebe!

14. Juni 1942

Du hast recht, liebe Brunhilde, — in dem Leid dieser Zeit sich dankbar zu erinnern, wieviel Gutes uns doch auch begegnet ist im Leben. Und haben wir das Gute aus Gottes Hand empfangen, sollen wir nicht auch willig das Schwere aus Gottes Hand nehmen, wenn Er es uns schickt? Freilich, wir werden immer darum ringen müssen: unser Herz sehnt sich nach Glück und Frieden und Gemeinschaft desto mehr, je mehr es dessen entbehren muß

12. Juli 1942

Mir ist das Herz jetzt oft schwer, so dunkel alles! Gott schenke Euch und mir es täglich neu, wirklich in allem, auch in den seltsamsten Fügungen, Seinen gnädigen guten Willen gläubig anzuerkennen.

2. August 1942

„Nun aber bleibet Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei — aber die Liebe ist die größte." In solcher Gewißheit laßt uns innig verbunden bleiben und immer neuen Mut und neue Kraft daraus schöpfen.„Wir machen unser Kreuz und Leid nur größer durch die Traurigkeit" — sondern „stimmt ein Loblied nach dem anderen im . .." Noch im selben Monat ereilte ihn sein Geschick. In den letzten Tagen gab er seiner Zuversicht vor dem Tod in einem Gebet Ausdruck:



Gebet

„Wenn mir am allerbängsten wird um das Herze sein,
so reiß mich aus den Ängsten kraft Deiner Angst und Pein.
 



Christus allein kann Segen
auch schaffen aus dem Leid,
auf unbeschwerten Wegen
uns führ'n zur Ewigkeit,
die in dies dunkle Leben
voll Rätsel und voll Streit
kann Licht und Freude geben
und Fried' und Ruh' verleiht,
die uns die Welt bleibt schuldig,
die uns der Mensch nicht gibt.
Drum schaue nur geduldig
auf Christ, der uns geliebt,
daß er sein Leben tauchte
in Nacht und Gram und Tod,
und der am Kreuz noch hauchte:
„Mein Gott, dennoch, mein Gott."
Mein Gott, auch in des Lebens
dunkler Weglosigkeit
laß uns doch nicht vergebens
Not und Verlassenheit
im Schauen auf Dich verwinden.
Reiß uns aus Angst und Pein
und laß am Kreuz Dich finden,
Dich unser Heiland sein.
 




Literatur: Du hast mich heimgesucht bei Nacht
Abschiedsbriefe und Aufzeichnungen des Widerstandes 1933 -1945
Herausgegeben von Helmut Golwitzer, Käthe Kuhn, Reinhold Schneider




 

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