ELISABETH VON THADDEN
1890 - 1944
Das ist mein Gebot, daß Ihr Euch untereinander liebet, gleich wie ich
Euch geliebt habe.
[Anfang des Abschiedsbriefes an die Familie]
Elisabeth von Thadden, geboren am 29. Juli 1890 auf Trieglaff/ Pommern,
war im Jahre 1933 auf der Höhe ihrer Tätigkeit und Schaffenskraft
angelangt. Nun wurde ihr alles aus der Hand geschlagen, was sie besaß.
Sie verlor die Schule, die sie in Wieblingen aufgebaut hatte — das bis
zum heutigen Tage fortbestehende Werk ihres erzieherischen Geistes —,
ihre Freiheit und schließlich ihr Leben.
Am 12. Januar 1944 wurde sie verhaftet, am 8. September des gleichen
Jahres hingerichtet. In der Schmach und Bitternis der Haft, mit
gefesselten Händen, kämpfte sie einen siegreichen Kampf gegen
Verzweiflung um Glaubenssicherheit und inneren Frieden. In einem Buch
von Reinhold Schneider strich sie sich damals die folgenden Sätze an:
„Das ist die Gnade der Schmach, daß sie des Herzens Eigenmacht tilgt und
die falschen Bilder ihres Trachtens zerstört und es löst von den Fesseln
der Eitelkeit. Es gibt keine Schmach mehr, die die Seele unbedingt
verletzt. Ein schwacher Abglanz Deiner Unverletzbarkeit, o Gott, teilt
sich den Deinen mit. Wir wollen auf Dich blicken, wenn uns zuteil wird,
was wir verdienen. Das Höchste unsrer Seele ruht unzerstörbar in Dir. Es
kann uns nicht genommen werden."
Aus dem Briefe eines Freundes
Sie wirkte nicht durch das, was sonst ein Mensch gemeinhin durch Bildung
und Formung, durch die selbsterrungene Entwicklung der in ihm angelegten
Möglichkeiten als die Bedeutung seiner Erscheinung ausstrahlt; sie
wirkte schlechthin durch ihr Sein. Dies Sein strömte, einer Urkraft
gleich, unabänderliche und unbeeinflußbare Kraft auf die anderen aus.
Es wurzelte im Blut ihres durch Tradition und Züchtung in Jahrhunderten
durchgebildeten Geschlechts, dessen Adel Verpflichtung war,
Verpflichtung zur Treue gegen sich selbst, Verpflichtung zur Erhaltung
des in sich selbst gebildeten und dargestellten Begriffs und Wertes.
Das erlebten an ihr die Kinder: wie es möglich war, daß ein Mensch mit
so offenkundigen Unzulänglichkeiten eine so tiefgehende, weit in ihr
eigenes Leben hineinstrahlende Wirkung entfalten konnte, die sie als
sittlichende, sie für ihr Leben verpflichtende Kraft oft zunächst
widerwillig empfingen, deren sie erst allmählich, in Jahren der
unaufhebbaren Nachwirkung, inne wurden, die sie dann mit tiefer, weit
über alle Worte hinausgehender Dankbarkeit als Verpflichtung für ihr
Leben in ihr Leben gezeugt, erkannten.
Sie war der vorbildliche Mensch aus Geblüt, dessen Wesen sich bekundet
durch seine Haltung: klar, zuchtvoll, fest, unabdingbar, seiner Art
verpflichtet.
Als solcher hat sie gelebt und gewirkt, als solcher ist sie gefallen auf
dem Schaffott, sich selbst getreu bis zum letzten, bittern, zumal für
eine Frau entsetzensvollen Schritt des entwürdigend gemeinten, sie aber
adelnden Todes durch das Beil des Henkers.
Literatur: Du hast mich heimgesucht bei Nacht
Abschiedsbriefe und Aufzeichnungen des Widerstandes 1933 -1945
Herausgegeben von Helmut Golwitzer, Käthe Kuhn, Reinhold Schneider