WILHELM THEWS
1910 - 1943
Tiefbautechniker. -
Am 8. Februar 1943 im Alter von 32 Jahren als Mitglied einer
kommunistischen Widerstandsgruppe hingerichtet.
Sein Abschiedsbrief an die Eltern
Berlin-Plötzensee, den 8. Februar 1943
Min leiv Vater und Mudding!
Draußen lacht die Sonne vom strahlend blauen Himmel, und ein frischer
Ostwind jagt über die frühlingsahnende Erde. Wen die Götter lieben, den
nehmen sie jung zu sich! Und die Götter und das Glück waren trotz allem
mir noch bis zum Schluß treu.
Ich habe Euch noch einmal sehen dürfen, und an meinem letzten Tag
bescherten sie mir noch dieses herrliche Wetter.
Ein Omen soll mir das sein, daß die Liebe und das Licht den Tod
überwinden.
Ich weiß, daß es viel schwerer ist zu überleben als sich zu opfern.
Ich weiß, daß das Schicksal Euch schwer zu tragen gibt, aber ich weiß
auch, daß Ihr es tragen und mich und mein Leben verstehen werdet. Man kann
vom Leben nicht alles verlangen.
Ihr habt alles getan, um mir das Leben schön und leicht zu machen.
Eure Sorge und Liebe haben mir in schweren Stunden beigestanden.
Ich habe mir mein Leben selbst gestaltet.
Wir Thews waren immer einer großen Leidenschaft fähig gewesen. Wir sind
nicht von Blume zu Blume geflogen.
Wo wir einmal ja gesagt hatten, haben wir unsere ganze Leidenschaft mit
Herz und Seele freudig gegeben.
Mein Leben war reich an Höhen und Tiefen, es war schön.
Man kann nicht alles erleben, und ich glaube, daß es ein großes Glück ist,
auf der Höhe seines Lebens, in seiner Kraft gehen zu dürfen. Sicher hätte
auch ich gern noch manches erfüllt. Gern Familie und Kinder gehabt. Nun,
es hat nicht sollen sein. Darum wollen wir nicht rechten und hadern mit
dem Schicksal. Die nach uns kommen, werden es vollenden.
So danke ich Euch heute, wie nur ein Sohn seinen Eltern danken kann.
Wenn ich heute so ruhig und freudig meinen letzten Weg gehe, so doch nur,
weil Ihr mir das Rüstzeug fürs Leben in jeder Lage gegeben habt.
Min leiv Mudding, möchte Dir noch manches viele sagen.
Aber Du weißt ja, daß meine Liebe Euch gehört.
In Gedanken lege ich meinen Kopf in Deine lieben, lieben Hände, damit sie
mich segnen. Deine Hände, die jahraus, jahrein für uns geschafft haben.
Deine Hände, die mich so oft getröstet und mir als Kind die Tränen
getrocknet haben.
Liebe, heilige Hände meiner Mutter.
Min leiv Vater, ich umspanne in Gedanken Deine Hand und sehe Dir in die
blanken Augen.
Schöpfe aus Deinen klaren Blicken Kraft und Stärke.
Hol - fast. Und wenn die See auch grob und hart ist. Kiek ut! Mögen alle
Thews nach uns sich unserer und unserer Zeit nur mit Stolz erinnern. Laßt
Euch umarmen und fest und stark ans Herz drücken. Was von uns unsterblich
ist, wird sich zu der großen Symphonie der Liebe und Freude vereinen.
Unser Leben war die Überwindung des Bösen.
»Ich hab's gesagt und nehme es nicht zurück.
Leben heißt lieben, lieben ist Glück.«
Lebt wohl und trotz allem laßt uns das Leben und das Lachen nicht
verlernen.
Ich bleibe mit meinem Geist und meiner Seele bei Euch und unter Euch.
Euer tiefdankbarer Sohn Wilhelm
Literatur: Du hast
mich heimgesucht bei Nacht
Abschiedsbriefe und Aufzeichnungen des Widerstandes 1933 -1945
Herausgegeben von Helmut Golwitzer, Käthe Kuhn, Reinhold Schneider