BRIEFE BERÜHMTER MENSCHEN

 

 

Der letzte Brief

BRIEFE BERÜHMTER MENSCHEN

 

Der letzte Brief: der königliche aller Briefe.
 Sein Aroma ist köstlich. Was sonst in armseliger
 Verteilung aus Briefen blüht:
Genialität des  Denkens,
Glaubens Liebens
– im letzten Brief
wird er zu einer  Synthese.
Sein  Pathos ist unerhört  - aber sein Ethos
wächst darüber hinaus. Beide – Pathos und Ethos –
werden aufgenommen in die hohe Stimme
einer nie zu  entwirrenden Mystik.  Es ist das Schicksal
der letzten Takte der neunten Symphonie,
die eingehen in die Seligkeit eines metaphysischen Soprans. ....

 
Ilse  Linden
  Der letzte Brief Eine Sammlung letzter Briefe
Herausgegeben von Ilse Linden /Erschienen bei Oesterheld & Co Verlag
Berlin 1919
 
 

 



 

Will Heinrich


1895 - 1943

Kunstmaler


 


Frankfurt, den 19. Februar 1943

Ihr Lieben, Du meine liebe, liebe Mutter . . . Euch allen sage ich Lebewohl! Wenn Ihr diese Worte lest, dann bin ich eingegangen durch die Pforte der Ewigkeit, dann bin ich bei dem lieben Vater,.., dort wo kein Leid, keine Träne mehr geweint wird.
Euch allen danke ich für alle Liebe, die Ihr mir gabt. Du meine innigst geliebte Mutter, hab innigen Dank für all Deine Liebe, die Du mit Deinem gütigen Mutterherzen mir zuteil werden ließest. Mutter, weine nicht um mich. Ich gehe Dir nur voraus zu dem lieben Vater, den Großeltern und all den Lieben, die schon dahingegangen sind. Ich bin ganz ruhig, ganz gefaßt.
Der Tod gehört zum Leben und ist erst der Beginn des wahren, ewigen Lebens.
Ich werde im Geiste immer bei Euch sein. Es ist eine Zeit wo der Tod seine Ernte hält. . .

... Schließt Euch in unzertrennbarer Liebe, Ihr teuren Geschwister, eng aneinander an! Bleibt fürs Leben Euch nahe und verbunden!

Ich gehe Euch allen nur um ein paar Jahre voraus. Vielleicht ist es eine große Gnade, die mir zuteil wird, in voller geistiger und körperlicher Verfassung hinüberzugehen in ein ewiges Leben. Jeglichen Schrecken hat der Tod für mich verloren. Ich hatte Zeit mich vorzubereiten.
In festem Glauben als guter Christ sehe ich ihm furchtlos ins Auge. Immer bin ich bestrebt gewesen, ein guter Mensch zu sein. Ich danke Gott von Herzen für mein Leben, für all das Schöne, was ich erlebte, danke Ihm für die Liebe meines Elternhauses und der Harmonie, die unter uns Geschwistern herrschte. Weinet, bitte, bitte nicht um mich, denkt an das große Sterben, das heute in der Welt herrscht, denkt daran, daß mir ein gütiger Gott nach dem Weltkrieg noch so schone Jahre zu leben vergönnte.
Ich habe keinem Menschen bewußt etwas zuleide getan. Und nun lebt alle wohl. Euch alle grüße ich mit meinen innigsten letzten Grüßen. Auf Wiedersehen im ewigen Leben !

Euer Heinrich

 

 



Literatur: Du hast mich heimgesucht bei Nacht
Abschiedsbriefe und Aufzeichnungen des Widerstandes 1933 -1945
Herausgegeben von Helmut Golwitzer, Käthe Kuhn, Reinhold Schneider



 

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