BRIEFE BERÜHMTER MENSCHEN

 

 

Der letzte Brief

BRIEFE BERÜHMTER MENSCHEN

 

Der letzte Brief: der königliche aller Briefe.
 Sein Aroma ist köstlich. Was sonst in armseliger
 Verteilung aus Briefen blüht:
Genialität des  Denkens,
Glaubens Liebens
– im letzten Brief
wird er zu einer  Synthese.
Sein  Pathos ist unerhört  - aber sein Ethos
wächst darüber hinaus. Beide – Pathos und Ethos –
werden aufgenommen in die hohe Stimme
einer nie zu  entwirrenden Mystik.  Es ist das Schicksal
der letzten Takte der neunten Symphonie,
die eingehen in die Seligkeit eines metaphysischen Soprans. ....

 
Ilse  Linden
  Der letzte Brief Eine Sammlung letzter Briefe
Herausgegeben von Ilse Linden /Erschienen bei Oesterheld & Co Verlag
Berlin 1919
 
 

 



 


HANS WÖLFEL

1902 - 1944


 





Rechtsanwalt

Geboren am 30. März 1902. Hingerichtet am 3. Juli 1944 in Brandenburg-Garden wegen Wehrkraftzersetzung.
 



Montag, den 3. Juli 1944


Meine liebste Else!
Mein liebstes Irmgardle!


Gott ruft mich zu sich in ein besseres Jenseits, damit ich dort für Euch vom Himmel aus sorge. Ich bin gefaßt, kann nur nicht gut schreiben mit gefesselten Händen. Meine ganze Liebe ist bei Euch und umgibt Euch weiterhin. Wir werden uns ja wiedersehen.
Der liebe Gott wird Euch trösten und Euren weiteren Lebensweg behüten. Bleibt Eurem heiligen katholischen Glauben treu! Verzeiht mir alles, was ich Euch an Unrecht und Lieblosigkeit angetan habe im Leben; wie auch ich Euch, meinen beiden liebsten Menschen auf dieser Welt, alles verzeihe. Doch Ihr habt mir ja nur Liebe und Glück gegeben. Ich verzeihe allen Menschen um der Liebe Christi willen.
Grüßt mir die lieben Eltern, meinen guten Vater, meine lieben Geschwister und alle Verwandten, auch alle lieben Freunde und Bekannten.
Allen danke ich für alles. Euch, meine beiden Liebsten, danke ich nochmals aus ganzem Herzen für alles, was Ihr an Liebe und Freude mir gegeben. Ihr wäret meine Sonne in diesem Leben, Du, liebste Else, warst mein einziges großes Glück, Du liebstes Irmgardle, warst das Unterpfand dieses Glückes.
Die Fülle dieses Glückes nehme ich mit hinüber in die Ewigkeit, wo ein gnädiger Richter mich erwarten möge.
Liebste Else, liebstes Irmgardle, weinet nicht zu sehr um mich, denkt an mein Glück im Himmel oben, das alle Erwartungen und Hoffnungen übertrifft. Betet für mein Seelenheil.

Ich umarme und küsse Euch nochmals innig im Geiste, in der festen Hoffnung auf ein Wiedersehen im Jenseits.

Die Liebe ist stärker als der Tod!

Ewig

Euer Vati







Literatur: Du hast mich heimgesucht bei Nacht
Abschiedsbriefe und Aufzeichnungen des Widerstandes 1933 -1945
Herausgegeben von Helmut Golwitzer, Käthe Kuhn, Reinhold Schneider



 

Startseite
Verzeichnis