GONTARDS
SUSETTE
1769 .
1802
LETZTE
BRIEFE AN HÖLDERLIN
Susette Gondthard an Hölderlin
Mai 1800
Letzte Briefe
Wirst Du morgen kommen Theurer! Ich glaube es und doch mag
ich mich nicht daraf verlassen mein Sehnen möchte zu gewaltsam bleiben,
wenn ich Dich nicht mehr sehen sollte. Der Entschluß, im Zirkel Deiner
Familie nützlich zu leben, ist mir wie aus der Seele genommen und es ist
jetzt durch die Umstände Bestimmung für Dich geworden Deiner guten
Schwester alles zu sein was Du kannst, wie wird es Deinem Herzen wohl tun
wieder ein innig liebesfühlendes Wesen um Dich zu haben dem Du vertrauen
kannst, und wie sollte es mich nicht freuen! – Ich werde immer von Dir
hören, ich werde Dich wieder sehen, sobald es Dir möglich möglich ist.
So oft wie bisher hätten wir doch nicht Nachricht haben können, gewiß
nicht alle Monate, und ich hatte auch schon im im Sinne Dir zu sagen, dass
wir nur alle halbe Jahre durch den Briefträger unsere Papiere austauschen
wollten, aber immer für einander wenn wir eine glücklich fühlende Minute
hätten an einander schreiben wollen, und allerhand erzählen was uns so
einfiele, aus dem Herzen sprechen und uns Luft machen, wenn die Brust
zuweilen so voll und gepresst ist.
So wollen wires jetzt machen.
Du kömmst wann Du kannst, und ich erwarte Dich ohne Ängstlichkeit. Einmal
kömmst Du mir gewiß. Ich werde Dich wieder sehen! Diese Gewissheit soll
mir niemand nehmen. Ich will standhaft Deinen Blick und Deinen Händedruck
ertragen, dass ich nicht zu sehr erweicht werde, nach so langer Trennung,
wieder zur Trennung auszudauern. Und Dir dann den Mut gebe.
Wenn Du künftig an mich denkst, so stelle Dir nur immer vor daß ich in
irgend einer Beschäftigung bin die mich freut.
Und ich denke von Dir daß Du etwas tust was Dein gutes Herz Dir lohnt, so
werden wir mit Heiterkeit an einander denken.
Und mutig dem Wiedersehen mit dem schnellen Lauf der Zeit entgegen eilen,
es sei! wann es sei! das Schicksal bitten daß der frohe Augenblick bald
kommen möge, und vertrauen auf die geheimen Mächte die unsere Schritte
leiten. Nur bitte ich Dich,
laß Dichl in keinem
Verhältnis des Lebens durch das unsrige stören und laß mich immer
Deine Vertraute bleiben. Du sollst nie dabei verlieren, denn Deine Freude
ist auch die meinige.
Wenn Du künftig in der Stadt erscheinst, und Du siebest ein weißes Tuch
an meinem Fenster, so schicke die Briefe nicht, und komme den nächsten
Morgen wieder; siebest Du nichts, ..schicke sie sogleich und kehre auch
dann noch einmal zu-
zum Zeichen.
*****
Donnerstag Morgen
Wirst Du nun kommen! Die ganze Gegend ist stumm,
und leer, ohne Dich! und ich bin so voll Angst,
wie werde ich
die starken Dir entgegen wallenden Gefühle wieder in den Bu
sen verschließen und bewahren? – wenn Du nicht kömmst!
Und wenn Du kömmst! ist es auch schwer das Gleichgewicht zu halten, und
nicht zu lebendig zu fühlen. Versprich mir daß Du nicht zurückkommen, und
ruhig wieder von hier gehen willst, denn wenn ich dies nicht weiß, komme
ich in der größten Spannung und Unruhe bis morgen früh nicht vom Fenster,
und am Ende müssen wir doch wieder ruhig werden, drum laß uns mit
Zuversicht unsern Weg gehen und uns in unserm Schmerz noch glücklich
fühlen und wünschen daß er lange lange noch für uns bleiben möge weil wir
darin vollkommen edel fühlen und gestärkt.
Leb wohl! Leb wohl! der Segen sei mit Dir.