ALTENBERG 
PETER (1859 - 1919)
      
      
        
        
      
      
      
      
      Letzter Brief an Karl Hollizer Januar 1919
      
      
 
      
      
      
      Aus den letzten 
      Aufzeichnungen Peter Altenbergs
      
      Regenerationskur, Beginn 7.2. 1917: Sandalen und Fuß –Woltat- Bäder. Kopf 
      Woltat. 
      Magen –Diätetik. Darm –Diätetik. Schlaf bei weitgeöffneten Fenstern! Rheum 
      et Magnesia usta. Natur, Geist, Seele, frische Luft, Abtrocknung. Gust. 
      Klimt starb am 6.12. 1918, im 56. Lebensjahre. 
      Schicksale berechnen wollen oder korrigiren ist ein Irrsinn! Wandle den 
      dir zugemessenen Weg und verschwinde!!!!
      P. A.
      
      
      
      9.3. 1918. 59. Geburtstag, 6 Abends im Tuchlauben – Kino: Erna Morena in „ 
      Die Geschichte der Julie Tobaldi „, mit Dr. d. und Cousine Lotte.
      Habe Alles durchgeweint, was hienieden durchzuweinen ist für einen 
      vorzeitig Verlorenen!
      P. A.
      
      
      Donnertsag, 24.5. 1918. Vollkommene Zerstörung. Zum Selbstmord keinen Mut, 
      also ein Leben ertragen, das unertragbar ist!
      
      Peter Altenberg
      
      
      25.5. 1918. Mein Leben ist absolut verloren! Es handelt sich nur mehr um 
      Wochen, die ich mich noch künstlich erhalten kann!
      
      
      11.6. Rekonvalescenz, aber keine Gesundheit.
      Irgendwo in der Maschine stockt es! Schade.
      
      P.A.
      
      
      12.6. Die „ Erlösungen haben aufgehört. Die Lebensmaschinerie stockt trotz 
      alledem. Verzweiflung. Ich schreibe meine letzten Skizzen zur Aufklärung 
      für die Anderen. Das ist meine naturgemäße und eigentlich unentrinnbare 
      Verpflichtung! – Was ich besser, richtiger erfahren habe, muß ich 
      weiterspenden! Gebot seines eigenen Geistes, seiner eigenen Seele.
      
      P.A.
      
      
      14.6. 1918.
      Ich erwachte zum erstenmal im Leben mit „ Zahnschmerzen“. Am 9.3. 1919 
      werde ich 60 Jahre alt. Was ich zu sagen hatte, den Anderen, habe ich 
      gesagt. Hoffentlich in einer annehmbaren Art!
      Bi zum 9.3. 1919 muß ich also „ durchhalten, obzwar es mir eigentlich 
      bereits fast unmöglich ist. Es beginnt heute eine neue Regenerationskur!
      
      26.6. 1918.
      Von 10 Uhr Morgens bis 2 Uhr Nachmittags plötzliche Erlösung von 6 Monate 
      langen unermesslichen Leiden! In inniger Dankbarkeit dem gütigsten 
      Schicksal!
      P. A.
      
      
      Die Nacht, 1 Uhr, 23.12.1918, vor Weihnachtsabend. Das Ende meines Dichter 
      – und Menschenlebens. Gezwungen, den Leidensweg eines unerbittlichen 
      Richters zu gehen. Gezwungen aus innersten Gründen, aus verhängnisvollster 
      fatalster, dem Untergang zuführender, unentrinnbarer Bestimmung!?!
      Begeisterung verzehrte alle seine wenigen Lebens – Energien, die zu dem 
      naturgemäßen „Kampf ums Dasein“ so wie für Alle auch für ihn zweckmäßig 
      hätte selbstverständlich verwenden werden müssen! So brach er etwas 
      vorzeitig, vor dem 60. Geburtstag, 9 März 1919, zusammen.
      
      
      
      
      
      
      
      
      Das Altenbergbuch
      Herausgegeben von Egon Friedell / Verlag der Wiener Graphischen Werkstätte 
      Leipzig /Wien