Bürger Gottfried August
1747 - 1794
Die letzten Jahre sehen seines Lebens sehen Bürger fast nur noch in
seiner Studierstube. Seine Menschenverachtung ist grenzenlos: " Großmut
und Menschenliebe; man denke! Man bekommt dafür nicht ein Glas Schnaps
in der Welt!" -
Drei Ehen hat er hinter sich. Seine Geldverhältnisse sind trostlos.
Im Herbst 1793 überfällt ihn eine akute Leberentzündung. Sie endet -
nach den merkwürdigen medizinischen Terminologie jener Zeit - als
Lungenschwindsucht. -
Ruhig erwartet der schwer bedrückte Mann den Tod.
Einen tag vor dem Ende - am 7. Juni 1794 - schreibt Caroline Böhmer (
Schlegel) : Mit Bürger, der ist völlig so arg - ich weiß es von Dietrich
-..... Er hat nichts zu essen als was ihm seine Freunde schicken und ist
von der übelsten Laune." -
Im Alter von 46 Jahren starb der Dichter der "Lenore" wie er es
gewünscht: ohne Schrecken und Schmerz.
An Heyne
Göttingen, den 16.März 1794
Theuerste Herr Hofrath!
Ich kann und darf noch nicht wieder ausgehen; muß Euer Wohlgeb., also
meine dringende Bitte schriftlich an das Herz legen, so gern ich dieß
mit bessere Fülle der Motive mündlich getan hätte. Bester Mann, Sie
äußerten neulich so eine so wahre Rührung, eine so herzliche Theilnahme
an meinem traurigen Schicksale, daß es mir seitdem zu einem süßen Troste
gereicht hat. Ich rede also unbefangen, und unbekümmert um die Wahl der
Worte zu Ihnen, wie mir das volle, aufrichtige Herz gebietet....
Ich kann ohne Gehalt, besonders nach meinen letzten Fatalitäten,
durchaus hier nicht länger bestehen.
Wird es mir noch länger entzogen, so muß ich gewiß und wahrhaftig meine
Professorenstelle niederlegen; und ich bin noch reifer Überlegung dazu
entschlossen, so fatal auch der Schritt in manchen Rücksichten ist
...... ich muß, ich muß meine Stelle verlassen, um von hier weg, auf
irgendein bequemes, wohlfeiles Dorf ziehen und daselbst eingeschränkt
von meinem Wenigen, wie ein armer Dorfpastor von seiner Drei bis
Vierhundert Thaler Pfarre leben zu können. Hier in Göttingen kann ich
ohne, ohne den Professtorstand verächtlich zu machen, eine Familie von
sechs Personen auf keine Weise unter 600 Rth. jährlich durchbringen....
Ich weiß wohl, daß ich in meinen jüngeren Jahren durch mancherlei
Verkettung, durch Leidenschaften und Unbesonnenheiten hingerissen, die
doch die gutmütige billige Menschlichkeit gern entschuldigen dürfte,
manchen unnützen Streich begangen, dagegen manches nützliche
unterlassen, und mich dadurch in einen fatalen Mißkredit gesetzt habe.
Aber nie haben wohl einem Menschen seine Gebrechen und Fehltritte mehr
Nachteil gebracht, keinem sind sie wohl in den verzertesten Karricatur
-Zeichnungen länger mit lautem Geschrei nachgetragen worden, als mir....Theuerster
Mann, ich schmeichle mir, wenn Sie mich näherer Bekanntschaft würdigen
wollten, Sie würden meinen Charakter, meine Gesinnungen Ihre Achtung -
selbst Ihre Freundschaft nicht versagen. -
Ich muß abbrechen, weil ich unvermerkt schon so viel, und wirklich nicht
zum Vortheil meiner Gesundheit dahingeschrieben habe. Aber wie vieles
hätte ich nicht noch zu sagen und Rath zu fragen!
.... Sie sind mir gewiß nicht abgeneigt. Desto eher darf ich meine
Beschwörung wiederholen. Lassen Sie es sich zu Herzen gehen, was
Krankheit, Niedergeschlagenheit des Geistes, Kummer und Noth sind!
Ich danke gehorsamst für für die Nachricht von meinem Neveu und bin mit
der unwandelbarsten Anhänglichkeit und Verehrung
Ew. Wohlgeborenen gehorchsamster Diener
Ilse Linden/ Der letzte Brief Eine
Sammlung letzter Briefe Herausgegeben von Ilse Linden /Erschienen bei
Oesterheld & Co Verlag Berlin 1919