BRIEFE BERÜHMTER MENSCHEN

 

 

Der letzte Brief

BRIEFE BERÜHMTER MENSCHEN

 

Der letzte Brief: der königliche aller Briefe.
 Sein Aroma ist köstlich. Was sonst in armseliger
 Verteilung aus Briefen blüht:
Genialität des  Denkens,
Glaubens Liebens
– im letzten Brief
wird er zu einer  Synthese.
Sein  Pathos ist unerhört  - aber sein Ethos
wächst darüber hinaus. Beide – Pathos und Ethos –
werden aufgenommen in die hohe Stimme
einer nie zu  entwirrenden Mystik.  Es ist das Schicksal
der letzten Takte der neunten Symphonie,
die eingehen in die Seligkeit eines metaphysischen Soprans. ....

 
Ilse  Linden
  Der letzte Brief Eine Sammlung letzter Briefe
Herausgegeben von Ilse Linden /Erschienen bei Oesterheld & Co Verlag
Berlin 1919
 
 

 






Baudelaire Charles

1821 - 1867



 



Im April 1864 geht Baudelaire nach Brüssel - Parismüde, erschöpft von Opium und Haschischgenuß. -
Finanzen und Gesundheit sind gleichermaßen zerrüttet. Er erlebt die Enttäuschung: auch Brüssel versagt sich ihm. Er hat weder reale noch ideale Erfolge. " Dieses Volk" , sagt er von den Belgiern, " ist zu dumm, um sich um Gedanken zu schlagen - .... was ist das für ein albernes, schwerfälliges Volk" - " Er will ein Buch über Belgien schreiben. Geht in die Provinz, um Notizen zu sammeln. Und bricht vor einer Kirche in Namur zusammen! - Noch über ein Jahr atmet er: gelähmt - ein Halb - Lebende. Seine Mutter holt ihn nach Paris. Dort stirbt er. - Zwei Manets an der Wand - Poe auf dem Tisch an seinem Bett und manchmal ein paar Takte von Wagner, von einer Freundin gespielt - das sind die Lichtpunkte im Dunkel dieses Künstler - Endes.
 


Freitag, 30. März 1866


An Herrn Ancelle

Mein Lb. Freund! ich danke Ihnen aufrichtig für Ihren so herzlichen Brief, dessen vortreffliche Gefühle ich ganz zu würdigen weiß. Aber einesteils sehe ich mit Schmerz, daß Sie sich etwas zu sehr beeilen, und andererseits, daß alles das hauptsächlich meiner Mutter zuliebe geschieht.

1. Ich kann mich nicht rühren.
2. Ich habe Schulden.
3. Ich muß, um meine Arbeit fertig machen zu können, fünf oder sechs Städte aufsuchen.

Wir werden uns über eine Menge Punkte ganz vortrefflich brieflich verständigen. Vergessen Sie nicht, an die Hoteliersfrau zu denken.

Ohne die Angelegenheit mit Dentu wieder aufzunehmen, sollten Sie doch erfahren trachten, wie er gesonnen ist. Lassen Sie ihm nur dann den Entwurf, wenn ihm daran liegt, das Geschäft zu machen. Sagen Sie ihm, wenn Sie wollen, daß ich leidend bin, aber sagen Sie ihm nicht die Wahrheit über meinen Zustand.

Schreiben Sie mir einigen Worte, und empfehlen Sie mich Ihrer Frau. Meine Mutter wollte diesem erbärmlichen Tier 1000 Franken anbieten, gehorchen Sie ihr.

Verzeihen Sie mir meine abgerissen Schreibweise, ich borge die Feder von einem andern.

Ganz der Ihre

 

 

 


Literatur; Ilse Linden/ Der letzte Brief Eine Sammlung letzter Briefe Herausgegeben von Ilse Linden /Erschienen bei Oesterheld & Co Verlag Berlin 1919

 


 

 




 

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