BRIEFE BERÜHMTER MENSCHEN

 

 

Der letzte Brief

BRIEFE BERÜHMTER MENSCHEN

 

Der letzte Brief: der königliche aller Briefe.
 Sein Aroma ist köstlich. Was sonst in armseliger
 Verteilung aus Briefen blüht:
Genialität des  Denkens,
Glaubens Liebens
– im letzten Brief
wird er zu einer  Synthese.
Sein  Pathos ist unerhört  - aber sein Ethos
wächst darüber hinaus. Beide – Pathos und Ethos –
werden aufgenommen in die hohe Stimme
einer nie zu  entwirrenden Mystik.  Es ist das Schicksal
der letzten Takte der neunten Symphonie,
die eingehen in die Seligkeit eines metaphysischen Soprans. ....

 
Ilse  Linden
  Der letzte Brief Eine Sammlung letzter Briefe
Herausgegeben von Ilse Linden /Erschienen bei Oesterheld & Co Verlag
Berlin 1919
 
 

 





Ludwig van Beethoven

1770 - 1827

 

 



ERSTER BRIEF

Ludwig van Beethoven wurde in Bonn geboren. Als zweiundzwanzigjähriger kam er ganz auf eigene Füße gestellt, nach Wien. Der Jugendliche war künstlerisch bereits gereift, und manches Haus öffnete sich ihm gastlich. Eine große Rolle haben in Beethovens Leben die Frauen gespielt. Für eine schöne Frau war sein herz sofort entflammt. Ging eine auf der Straße vorüber, so konnte er stehen bleiben und ganz, hingerissen, ihr lange durch das Lorgnon nachschauen. Seine erste Liebe galt seiner Jugendgespielin Eleonore von Breuning in Bonn der er, fast noch ein Knabe Klavierunterricht gegeben hatte. Wenn auch kleine Missverständnisse und Zornausbrüche die junge Liebe gelegentlich verdunkelten, so blieb ihr Beethoven doch zeitlebens zugetan und nannte sie noch sein“ Lorchen“, als sie schon verheiratet war. Wir bringen einen Brief, den er als Dreiundzwanziger aus Wien an die Jugendgeliebte schreibt.


1792

Äußerst überraschend war mir die schöne Halsbinde, von Ihrer Hand gearbeitet. Sie erweckte in mir Gefühle der Wehmut, so angenehm mir auch die Sache selbst war. Erinnerung an vorige Zeiten war ihre Wirkung, auch Beschämung auf meiner Seite durch Ihr großmüthiges Betragen gegen mich. Wahrlich, ich dachte nicht, dass sie mich noch Ihres Andenken würdig hielten.
O hätten Sie Zeuge meiner gestrigen Empfindungen bei diesem Vorfall sein können, so würden Sie es gewiß nicht übertrieben finden, was ich Ihnen vielleicht hier sage, dass mich Ihr Andenken weinend und sehr traurig machte. – Ich bitte Sie, so wenig ich auch in Ihren Augen Glauben verdienen mag, glauben Sie mir, meine Freundin ( lassen Sie mich Sie noch immer so nennen ), dass ich sehr gelitten habe und noch leide durch den Verlust Ihrer Freundschaft. Sie und Ihre theure Mutter werde ich nicht vergessen. Sie waren so gütig gegen mich, dass mir Ihr Verlust nicht so bald ersetzt werden kann und wird, ich weiß was ich verlor und was Sie mir waren, aber - ich müsste in Scenen zurückkehren, sollte ich diese Lücke ausfüllen, die Ihnen unangenehm zu hören und mir, sie darzustellen, sind.
Zu einer kleinen Wiedervergeltung für Ihr gütiges Andenken an ich, bin ich so frei Ihnen hier diese Variationen und das Rondo mit einer Violine zu schicken. Ich habe sehr viel zu thun, sonst würde ich Ihnen die schon längst versprochene Sonate abgeschrieben haben.
In meinem Manuscript ist sie fast nur Skizze, und es würde dem sonst so geschickten Paraquin selbst schwer geworden sein, sie abzuschreiben. Sie können das Rondo abschreiben lassen und mir dann die Partitur zurückschicken. Es ist das einzige, das ich Ihnen hier schicke, was von meinen Sachen ohngefähr für Sie brauchbar war, und da Sie jetzt ohndies nach Kerpen reisen, dachte ich, es könnten diese Kleinigkeiten Ihnen vielleicht einiges Vergnügen machen.

Leben Sie wohl, meine Freundin. Es ist mir unmöglich, Sie anders zu nennen, so gleichgültig ich Ihnen auch sein mag, so glauben Sie doch, dass ich Sie und Ihre Mutter noch eben so verehre wie sonst. Bin ich im Stande, sonst etwas zu Ihrem Vergnügen beizutragen, so bitte ich Sie, mich doch nicht vorbeizugehen, es ist noch das einzig übriggebliebene Mittel, Ihnen meine Dankbarkeit für die genossene Freundschaft zu bezeigen.
Reisen Sie glücklich und bringen Sie Ihre theure Mutter wieder völlig gesund zurück. Denken Sie zuweilen an
Ihren Sie noch immer verehrenden Freund
Beethoven.

 


 


Literatur;  Jugendbriefe berühmter Männer/ Verlag " Die Buchgemeinde Berlin 1924
Ausgewählt und eingeleitet von dr. Joh. Rohrn
 

 

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