ERSTER BRIEF
Ludwig van Beethoven wurde in Bonn geboren. Als zweiundzwanzigjähriger kam
er ganz auf eigene Füße gestellt, nach Wien. Der Jugendliche war
künstlerisch bereits gereift, und manches Haus öffnete sich ihm gastlich.
Eine große Rolle haben in Beethovens Leben die Frauen gespielt. Für eine
schöne Frau war sein herz sofort entflammt. Ging eine auf der Straße
vorüber, so konnte er stehen bleiben und ganz, hingerissen, ihr lange
durch das Lorgnon nachschauen. Seine erste Liebe galt seiner
Jugendgespielin Eleonore von Breuning in Bonn der er, fast noch ein Knabe
Klavierunterricht gegeben hatte. Wenn auch kleine Missverständnisse und
Zornausbrüche die junge Liebe gelegentlich verdunkelten, so blieb ihr
Beethoven doch zeitlebens zugetan und nannte sie noch sein“ Lorchen“, als
sie schon verheiratet war. Wir bringen einen Brief, den er als
Dreiundzwanziger aus Wien an die Jugendgeliebte schreibt.
1792
Äußerst überraschend war mir die schöne Halsbinde, von Ihrer Hand
gearbeitet. Sie erweckte in mir Gefühle der Wehmut, so angenehm mir auch
die Sache selbst war. Erinnerung an vorige Zeiten war ihre Wirkung, auch
Beschämung auf meiner Seite durch Ihr großmüthiges Betragen gegen mich.
Wahrlich, ich dachte nicht, dass sie mich noch Ihres Andenken würdig
hielten.
O hätten Sie Zeuge meiner gestrigen Empfindungen bei diesem Vorfall sein
können, so würden Sie es gewiß nicht übertrieben finden, was ich Ihnen
vielleicht hier sage, dass mich Ihr Andenken weinend und sehr traurig
machte. – Ich bitte Sie, so wenig ich auch in Ihren Augen Glauben
verdienen mag, glauben Sie mir, meine Freundin ( lassen Sie mich Sie noch
immer so nennen ), dass ich sehr gelitten habe und noch leide durch den
Verlust Ihrer Freundschaft. Sie und Ihre theure Mutter werde ich nicht
vergessen. Sie waren so gütig gegen mich, dass mir Ihr Verlust nicht so
bald ersetzt werden kann und wird, ich weiß was ich verlor und was Sie mir
waren, aber - ich müsste in Scenen zurückkehren, sollte ich diese Lücke
ausfüllen, die Ihnen unangenehm zu hören und mir, sie darzustellen, sind.
Zu einer kleinen Wiedervergeltung für Ihr gütiges Andenken an ich, bin ich
so frei Ihnen hier diese Variationen und das Rondo mit einer Violine zu
schicken. Ich habe sehr viel zu thun, sonst würde ich Ihnen die schon
längst versprochene Sonate abgeschrieben haben.
In meinem Manuscript ist sie fast nur Skizze, und es würde dem sonst so
geschickten Paraquin selbst schwer geworden sein, sie abzuschreiben. Sie
können das Rondo abschreiben lassen und mir dann die Partitur
zurückschicken. Es ist das einzige, das ich Ihnen hier schicke, was von
meinen Sachen ohngefähr für Sie brauchbar war, und da Sie jetzt ohndies
nach Kerpen reisen, dachte ich, es könnten diese Kleinigkeiten Ihnen
vielleicht einiges Vergnügen machen.
Leben Sie wohl, meine Freundin. Es ist mir unmöglich, Sie anders zu
nennen, so gleichgültig ich Ihnen auch sein mag, so glauben Sie doch, dass
ich Sie und Ihre Mutter noch eben so verehre wie sonst. Bin ich im Stande,
sonst etwas zu Ihrem Vergnügen beizutragen, so bitte ich Sie, mich doch
nicht vorbeizugehen, es ist noch das einzig übriggebliebene Mittel, Ihnen
meine Dankbarkeit für die genossene Freundschaft zu bezeigen.
Reisen Sie glücklich und bringen Sie Ihre theure Mutter wieder völlig
gesund zurück. Denken Sie zuweilen an
Ihren Sie noch immer verehrenden Freund
Beethoven.